Ärzteschaft

Elektronische Patientenakte: Niedergelassene für Verlängerung der Testphase

  • Freitag, 7. März 2025
/dpa, Jens Kalaene
/dpa, Jens Kalaene

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert eine Verlängerung der Testphase für die elektronische Patientenakte (ePA). Bei der heutigen Vertreterversammlung in Berlin berichteten Teilnehmer aus den Modellregionen von einem bisherigen Scheitern der Erprobung.

Der bundesweite Roll-out der ePA und die damit einhergehende Nutzungsverpflichtung dürften erst dann erfolgen, wenn sie umfassend getestet werden konnte und sämtliche Sicherheitsschwachstellen sowie technische Mängel und Einschränkungen in der Nutzbarkeit umfänglich behoben sind, heißt es in einem einstimmig angenommenen Antrag.

Die Testphase verlaufe bisher desaströs, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), Christian Pfeiffer. Die ePA sei ein Produkt, das Patientinnen und Patienten aufgedrückt werde, aber nicht funktioniere. Das beschädige die Akzeptanz eines eigentlich guten Konzepts.

Besonders fatal sei, dass bei der Testphase die Expertise der Praxen ignoriert werde, beklagte Jens Grothues von der KV Westfalen-Lippe (KVWL), der mit seiner Praxis an der Erprobung teilnimmt.

„Wie soll ich in Zukunft irgendjemanden motivieren, sich an der Einführungsphase eines digitalen Projekts zu beteiligen, wenn meine Expertise als Praxis überhaupt nicht berücksichtigt wird?“, fragte er. „Wenn wir die Ärzteschaft maximal frustrieren wollen, machen wir die Einführung zum ersten April und am ersten Juli dann eine Rückholaktion. Dann wird es nicht das Bundesgesundheitsministerium sein, das die Verantwortung dafür übernimmt.“

Der zweite Vorsitzende der KVWL, Volker Schrage, stimmte ihm zu. Auch er betreibe eine Testpraxis und habe seit Beginn der Modellphase ganze zwei ePAs befüllt. Sehr viele Kolleginnen und Kollegen könnten noch nicht einmal das, weil sie die notwendigen Module noch nicht erhalten hätten oder diese nicht richtig funktionierten.

„Es funktioniert vorn und hinten nicht“, beklagte Schrage. Er habe demnächst ein Gespräch im Bundesgesundheitsministerium (BMG), wo er deutlich machen werde, dass die Ärzteschaft bei einer forcierten Einführung zum ersten April keine Verantwortung übernehmen könne.

Es dürfe keinesfalls durch einen überstürzten Start eines unausgereiften Produkts Vertrauen bei Ärzteschaft und Psychotherapeutenschaft und insbesondere bei Patientinnen und Patienten verspielt werden, heißt es auch in dem Antrag.

Noch sei die Liste der Probleme in den Testregionen lang. So hätten in  Nordrhein-Westfalen, wo 122 Praxen mit 24 verschiedenen Praxisverwaltungssystemen (PVS) teilnehmen, drei PVS-Hersteller immer noch kein ePA-Modul geliefert.

Es gebe derzeit vier besonders auffällige Fehlercluster, die eine regelhafte Testung in einem Drittel der Pilotpraxen in NRW verhindern. So seien Zugriffe auf die Aktensysteme nicht möglich, Daten würden gar nicht oder nicht vollständig in die elektronische Medikationsliste übertragen, der PDF/A-Upload funktioniere nicht zuverlässig und es gebe lokal bedingte Systemfehler in den Primärsystemen oder der Infrastruktur in der Praxis.

Eine Befragung der dortigen Pilotpraxen zwischen dem 26. Februar und dem 04. März habe ergeben, dass zwei Drittel der Praxen die ePA aktuell als teilweise oder gar nicht nutzbar bewerten.

So könnten 31 von 75 Praxen das Modul nicht problemlos testen, 19 von 67 Praxen könnten einen Widerspruch im PVS nicht einfach dokumentieren. Lediglich 25 von 70 Praxen würden die Upload-Geschwindigkeit in die ePA als ausreichend schnell bewerten, 22 von 67 Praxen können während ePA-Transaktionen parallel im System weiterarbeiten und nur 24 von 69 Praxen werden von ihrem PVS ausreichend beim Ausfüllen der Metadaten unterstützt. Lediglich 24 der 71 befragten Praxen hatten angegeben, nach ihrem aktuellen Erfahrungsstand einen bundesweiten Roll-out als sinnvoll zu erachten.

„Für diejenigen, die sich in solche Untiefen begeben, sollte es einen Bonus geben, aber keinen Malus für diejenigen, die erst abwarten wollen, bis es funktioniert“, betonte Sebastian Sohrab von der KV Nordrhein mit Blick auf die teilnehmenden Kollegen.

Das ist auch die zentrale Forderung eines weiteren angenommenen Antrags der Vertreterversammlung. Die Bundesregierung solle den weiteren Digitalisierungsprozess in der ambulanten Versorgung durch gezielte Anreize, statt durch Sanktionen vorantreiben.

Honorarkürzungen und Kürzungen der TI-Pauschale müssten gestrichen werden und stattdessen Early Adopters, also frühzeitige Anwender, gezielt gefördert werden. Die Bundesregierung müsse zeitnah ein Praxis-Zukunfts-Gesetz erlassen, das – parallel zum Krankenhauszukunftsgesetz – insbesondere den Wechsel zu innovativen PVS und moderner Praxis-IT fördert.

Auch die Bereitstellung offener, standardisierter Schnittstellen in PVS müsse gesetzlich abgesichert und klare Mitwirkungspflichten der Hersteller für einen reibungslosen PVS-Wechsel verbindlich verankert werden. Die Gematik müsse stärkere Rechte erhalten, um die Betriebsstabilität der Telematikinfrastruktur (TI) sicherzustellen und verbindliche Auflagen für Anbieter von Betriebsleistungen zu setzen.

Zudem müsse die Möglichkeit der Digitalberatung durch die KVen auf eine gesicherte gesetzliche Grundlage gestellt werden. Die Vertreterversammlung beauftragte den KBV-Vorstand damit, einer künftigen Bundesregierung zu diesen Maßnahmen konkrete Vorschläge zu unterbreiten und diese voranzutreiben.

lau

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