Medizin

EMA hält Notfallkontrazeption auch bei Übergewicht für zuverlässig

  • Freitag, 25. Juli 2014

London – Obwohl Studien auf eine erhöhte Rate von ungewollten Schwangerschaften bei übergewichtigen und adipösen Frauen hingewiesen haben, hält die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) die Notfall-Kontrazeption mit Levonorgestrel und Ulipristal in allen Gewichtsgruppen für zuverlässig. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) und den Berufsverband der Frauenärzte (BVF) zeigten sich von dieser Entscheidung „überrascht“.

Der Verdacht gründete sich auf die Ergebnisse aus zwei klinischen Studien zur Effek­tivität von Levonorgestrel. Sie veranlassten den Hersteller von Norlevo (in Deutschland nicht im Handel) im November 2013 in den Fachinformationen zu erwähnen, dass die Wirkung ab einem Körpergewicht von 75 kg nachlasse und das Mittel ab einem Körper­gewicht von 80 kg nicht mehr zuverlässig wirke.

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA hat daraufhin geprüft, ob andere Anbieter, beispielsweise der von PiDaNa in Deutschland, zu ähnlichen Warnhinweisen verpflichtet werden sollten. Dies wurde jetzt abgelehnt, obwohl das Risiko auch nach den vom CHMP vorgelegten Daten erkennbar ist. Eine Meta-Analyse aus zwei publizierten Studien (Obstet Gynecol 2006; 108: 1089-97 und Lancet 2010; 375: 555-62) ermittelte eine Schwangerschaftsrate von 0,96 Prozent bei normalgewichtigen Frauen (BMI 18,5-25). Sie stieg bei übergewichtigen Frauen (BMI 25-30) auf 2,36 Prozent und bei adipösen Frauen (BMI 30 oder höher) auf 5,19 Prozent an. An beiden Studien hatten vor allem Frauen europäischer Herkunft teilgenommen.

In einer zweiten Meta-Analyse aus drei Studien, die überwiegend an Frauen asiatischer und afrikanischer Herkunft durchgeführt wurden, war dagegen kein Anstieg der unge­wollten Schwangerschaft mit zunehmendem Körpergewicht erkennbar. Hier wurden trotz Notfallkontrazeption 0,99 Prozent der normalgewichtigen, 0,57 Prozent der übergewichtigen und 1,17 Prozent der adipösen Frauen schwanger.

Die zweite Meta-Analyse veranlasst den CHMP zu dem Schluss, dass die verfügbare Datenlage „zu eingeschränkt und nicht robust genug“ sei, um sicher daraus zu schließen, dass der kontrazeptive Effekt mit zunehmendem Körpergewicht nachlasse. DGGEF und BVF kritisieren die Berücksichtigung der zweiten Meta-Analyse. Es handelt sich um eine 16 Jahre und eine 12 Jahre alte Multicenter-Studie aus China, Indien, der Mongolei und einigen osteuropäischen Ländern sowie um eine Studie aus Nigeria, heißt es in einer Stellungnahme.

Die beiden Multicenter-Studien sind aus Sicht der beiden Berufsverbände nicht aussagekräftig, da das durchschnittliche Körpergewicht bei 52 beziehungsweise 56 kg und die mittlere Körpergröße bei 163 cm gelegen habe. Innerhalb der einzelnen Studien sei nach einem Zusammenhang zwischen Körpergewicht/BMI und Zuverlässigkeit der Pille überhaupt nicht gesucht worden.

Auch für Ulipristal, das in Deutschland als ellaOne im Handel ist und innerhalb von 120 Stunden nach dem Verkehr eingenommen werden soll, gibt es einen Trend zum Anstieg der Versagerrate mit zunehmendem Körpergewicht, der jedoch nicht signifikant war. Eine Meta-Analyse aus vier klinischen Studien, die anlässlich der Zulassung durchgeführt wurden, gibt die Schwangerschaftsrate bei normalgewichtigen Frauen mit 1,12 Prozent an. Sie steigt bei übergewichtigen Frauen auf 1,29 Prozent und bei adipösen Frauen auf 2,57 Prozent.

Die Entscheidung komme sehr überraschend, betonen DGGEF-Präsident Thomas Rabe und BVG-Präsident Christian Albring. Beide halten die Ergebnisse der ersten Meta-Ana­lyse zu Levonorgestrel für qualitativ überlegen. Dort sei ein Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Versagen der Notfallverhütung festgestellt worden.

„Wir empfehlen deshalb weiterhin allen Ärztinnen und Ärzten in Deutschland, unbedingt weiterhin bei Frauen mit einem Körpergewicht über 75 kg beziehungsweise einem BMI über 25 weiterhin von einer abgeschwächten Wirksamkeit von Levonorgestrel auszugehen und in diesen Fällen Ulipristal zu verwenden“ schreiben die beiden Gynäkologen. Bei Ulipristal scheine die Wirkung erst ab einem Körpergewicht von 95 kg zu sinken. Bei schwereren Frauen sprechen sich die beiden Experten für die Einlage einer Kupferspirale aus.

rme

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