Ausland

Erhöhte Parvovirus B19-Aktivität kann für Schwangere, Abwehrgeschwächte und hämatologische Patienten gefährlich werden

  • Donnerstag, 4. Juli 2024
/Dr_Microbe, stock.adobe.com
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Stockholm – Europa erlebt derzeit die erste Epidemie von Parvovirus B19 nach der Pandemie. Der Erreger der „Ringelröteln“ (Erythema infectiosum) bei Kindern, ist in der Regel ungefährlich. Bei abwehrgeschwächten Menschen und bei Patienten mit hämatologischen Erkrankungen kann es zu schweren Verläufen kommen.

Nicht immune Schwangere können das Virus auf den Feten übertragen, für den eine Infektion tödlich enden kann. Für den Rest der Bevölkerung besteht nach Einschätzung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) nur ein geringes Risiko.

Wegen der geringen Pathogenität gibt es in den meisten europäischen Ländern keine Surveillance für Parvo­virus B19. Die regelmäßigen Epidemien, die alle drei bis vier Jahre, typischerweise in den Frühlingsmonaten auftreten, bleiben deshalb in der Regel unbemerkt. Auch in Dänemark wird nicht systematisch nach Infektio­nen gesucht. Das Statens Serum Institut führt aber eine Statistik über bekannt gewordene Erkrankungen.

Die letzte große Epidemie mit Parvovirus B19 hat es in Dänemark – und vermutlich auch im übrigen Europa – 2017 und 2018 gegeben. Der Ausbruch von 2021 war wegen der Pandemiemaßnahme mickrig ausgefallen. Seit Anfang diesen Jahres sind in Dänemark die gemeldeten Erkrankungen stark angestiegen.

Bis zum 10. April wurden 250 Fälle registriert. Das ist mehr als im gleichen Zeitraum von 2017, der bisher stärksten registrierten Epidemie. Unter den Erkrankten waren 50 Schwangere, von denen 5 im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Eine Gefahr für das Kind besteht nur, wenn die Mutter seronegativ ist, also keine schützenden Antikörper hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Fetus infiziert, liegt nach Einschätzung des Statens Serum Institut bei 25 %.

Das Übertragungsrisiko steigt während der gesamten Schwangerschaft, hat jedoch kaum Folgen für das Kind, wenn die Infektion nach der 20. Schwangerschaftswoche auftritt. Auch frühere Infektionen verlaufen der dänischen Behörde zufolge in der Regel glimpflich. In seltenen Fällen kann es jedoch zu einem Spontanabort, einem Hydrops fetalis und zum Tod des Fetus kommen.

Das sind allerdings seltene Fälle. Das Statens Serum Institut schätzt, dass Parvovirus-B19-Infektionen nur für 0,1-0,8 % aller Fehl- und Totgeburten verantwortlich sind.

Das Statens Serum Institut hatte die anderen europäischen Behörden bereits am 22. März informiert. Das ECDC hat daraufhin in anderen Mitgliedsländern nachgefragt: 14 Länder, darunter Deutschland, bestätigten, dass es auch bei ihnen Hinweise auf eine vermehrte Aktivität von Parvovirus B19 gibt.

Interessant ist ein Bericht in Eurosurveillance (2024; DOI: 10.2807/1560-7917.ES.2024.29.21.2400253) aus Frankreich. Dort wird systematisch in Plasmapools von Blutspenden nach Parvovirus-B19 gesucht. In den Jahren 2015 bis 2019 hatte die Prävalenz von DNA-positiven Pools bei 0,63 % gelegen, in der Pandemie war sie auf 0,07 % abgefallen, in 2023 stieg sie auf 1,21 % und in den ersten 3 Monaten diesen Jahres auf 7,12 % (der Jahresdurchschnitt wird wegen der saisonalen Häufung niedriger ausfallen).

Das ist eine klare Bestätigung für eine Epidemie. Neben Feten sind auch abwehrgeschwächte Patienten und Patienten mit hämatologischen Erkrankungen gefährdet. Bei abwehrgeschwächten Menschen kann es bei einer schwachen Antikörperreaktion zu verlängerten Infektionen mit Anämie, Panzytopenie und Organschä­den (Myokarditis, Hepatitis) kommen. Bei Transplantierten droht ein Organverlust.

Bei Patienten mit hämatologischen Erkrankungen kann es zu einer lebensgefährlichen transienten aplasti­schen Krise kommen. Die Gefahr besteht, weil sich das Parvovirus B19 bevorzugt in den erythroiden Zellen des Knochenmarks vermehrt.

Für Menschen mit Abwehrschwäche und hämatologischen Erkrankungen stuft das ECDC das Risiko als mittelschwer (moderat) ein. Für Schwangere sei es niedrig bis moderat. Für den Rest der Bevölkerung besteht keine Gefahr.

rme

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