„Es gibt in ganz Syrien nur etwa 45 bis 50 Fachärzte für Psychiatrie“
Berlin – Mitte Februar ist in Berlin eine Initiative zwischen unter anderem syrischen und deutschen Ärztinnen und Ärzten gestartet. Ihr Ziel: Der Wiederaufbau der zerstörten Gesundheitsversorgung in Syrien.
Die syrisch-deutsche Klinikpartnerschaft hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Mitwirkung des an der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) angesiedelten Programms Klinikpartnerschaften ins Leben gerufen. Für entsprechende Vorhaben ist eine staatliche Unterstützung von 15 Millionen Euro vorgesehen. Die maximale Förderung für eine Partnerschaft beträgt 500.000 Euro für drei Jahre.
Inwiefern deutsche und syrische Ärztinnen und Ärzte dabei unterstützen können, das Gesundheitssystem und insbesondere die psychiatrische Versorgung in Syrien nach dem Bürgerkrieg wieder aufzubauen, erklärt die syrische Ärztin Sara Mohamad im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt. Mohamad lebt seit 2018 in Deutschland und absolviert derzeit ihre Weiterbildung für Psychiatrie an der Berliner Charité.

5 Fragen an Sara Mohamad, Ärztin in Weiterbildung für Psychiatrie an der Berliner Charité
Wie ist die Situation in Syrien und insbesondere die (psychiatrische) Gesundheitsversorgung gerade für die Menschen vor Ort?
Es fehlt an sehr vielen Dingen, insbesondere bei der Infrastruktur. Es gibt beispielsweise Probleme mit der Stromversorgung und es fehlt häufig an fließendem Wasser. Vor allem benötigt Syrien jetzt aber einen lang anhaltenden Frieden. Dann kann die Situation auch wieder besser werden.
Die Gesundheitsversorgung war in Syrien allerdings bereits vor dem Krieg schlecht, der Krieg hat es noch schlimmer gemacht. In der psychiatrischen und psychologischen Versorgung sieht es besonders schlecht aus. Als ich 2017 nach meinem Medizinstudium in Damaskus dort an der Uniklinik angefangen habe zu arbeiten, waren wir fünf Assistenzärztinnen und -ärzte. Alle fünf leben und arbeiten mittlerweile in Deutschland. Auch von unseren Nachfolgern, sind nur noch wenige in Syrien. Und es gibt in ganz Syrien gerade nur etwa 45 bis 50 Fachärztinnen und -ärzte für Psychiatrie. In vielen Städten gibt es überhaupt keine Psychiatrie oder Klinik, die eine entsprechende Versorgung anbietet.
An was fehlt es insbesondere in der psychiatrischen Versorgung?
Vor allem braucht es Angebote für eine Traumatherapie, aber auch für den Umgang mit Stress. Bedingt durch die aktuelle Situation in Syrien ist das ein wichtiges Thema. Viele leiden zudem an Depressionen, deswegen werden Psychotherapien sowie medikamentöse Behandlungen benötigt. Problematisch ist darüber hinaus, dass viele Menschen mit psychischen Erkrankungen unter Stigmatisierungen leiden.
Wie kann die psychiatrische Grundversorgung in Syrien schnell wieder aufgebaut werden?
Vor allem braucht es ein Fortbildungsprogramm für syrische Ärztinnen und Ärzte, so dass sie leitliniengerecht etwa Depressionen oder andere psychische Erkrankungen behandeln können. Das gilt auch dringend für die Psychotherapie, denn in Syrien gibt es aktuell keine richtigen Angebote. Ich denke es wäre wichtig, die Allgemeinmediziner in diese Fortbildungen mit einzubeziehen, um die psychiatrische Versorgung mehr in die Fläche tragen zu können. Auch Studierende müssten bereits im Studium motiviert werden, sich in diese Richtung ausbilden zu lassen.
Was können Ärztinnen und Ärzte tun, die sich engagieren und mithelfen wollen?
Deutsche Ärztinnen und Ärzte könnten mithelfen, Inhalte dieser Fortbildungsprogramme zu entwickeln und mitzugestalten. Die Fortbildungen müssten nicht nach deutschen Leitlinien hin aufgebaut werden. Wichtig wäre aber, dass die Behandlungen standardisierter ermöglicht werden. Wünschenswert wären Ärztinnen und Ärzte, die für eine gewisse Zeit nach Syrien reisen – sobald es dort sicher ist – um dort „Train the Trainer“ Formate anzubieten. Dazu haben sich bereits viele syrischen Ärztinnen und Ärzte bereiterklärt, die derzeit in Deutschland leben.
Langfristig sind zudem Behandlungsformate per Video aus Deutschland heraus denkbar. Allerdings ist das derzeit noch schwierig, da die Internetverbindung in Syrien leider noch sehr instabil ist. Wenn ich mit meiner Familie in Syrien telefoniere, dauert es aufgrund von Verbindungsunterbrechungen oft mehrere Stunden, bis wir eine Geschichte zu Ende erzählen können.
Wie geht es jetzt konkret weiter mit den deutsch-syrischen Klinikpartnerschaften?
Wir sammeln jetzt erstmal gute Ideen und Projektvorhaben, die vor Ort auch tatsächlich gebraucht werden. Ich bin dazu mit Kolleginnen und Kollegen von der Charité, aber auch mit Psychiaterinnen und Psychiatern in Syrien im Austausch. Das entsprechende Projekt wollen wir dann bei den Klinikpartnerschaften beantragen und wir hoffen auf Förderung und Unterstützung.
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