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EU-Abgeordnete kritisieren Bundesinstitut wegen Glyphosat-Bewertung

  • Dienstag, 15. Januar 2019
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Straßburg – Im Europaparlament ist massive Kritik an der Rolle des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bei der Neuzulassung des umstrittenen Unkrautvernichtungs­mittels Glyphosat laut geworden. Mehrere Abgeordnete warfen der Behörde heute vor, sie habe in ihrem Glyphosat-Bericht wesentliche Angaben von Herstellern wörtlich übernommen. Sie stützen sich dabei auf eine Untersuchung des Wiener Plagiatsforschers Stefan Weber und des Biochemikers Helmut Burtscher-Schaden für eine Gruppe von Europaabgeordneten.

Das in Berlin ansässige BfR habe ganze Passagen aus einem Antrag des Herstellers Monsanto für die Neuzulassung von Glyphosat „wortwörtlich abgeschrieben“ und als eigene Feststellung ausgegeben, erläuterte Plagiatsforscher Weber heute vor Journalisten. Dieses Vorgehen sei „eindeutig als Plagiat“ zu werten. Burtscher-Schaden gehört zur Umweltorganisation Gobal 2000, eine der Initiatoren der Bürgerinitiative „Stop Glyphosate“.

Das Institut für Risikobewertung hat ihrer Untersuchung zufolge auch Bewertungen der Industrie von Studien über eine mögliche Krebsgefährdung durch das Pflanzengift „ohne eigene Prüfung“ übernommen. Weber veröffentlicht in der Untersuchung eine Reihe von Beispielen – Passagen aus Anträgen der Industrie, die sich wörtlich im Bericht des BfR wiederfinden.

Die SPD-Abgeordnete Maria Noichl äußerte sich „erschüttert“. Das BfR habe die Aufgabe, „Schaden von der Umwelt und den Menschen fernzuhalten“. Es sei von der EU mit der Prüfung des Pflanzengifts beauftragt worden. Die EU habe sich darauf verlassen, dass die deutsche Behörde „korrekt arbeitet“. Die Niederländerin Anja Hazekamp von der Linkspartei forderte eine neue und unabhängige Überprüfung der Glyphosat-Zulassung in der EU.

Das BfR wies „alle Vorwürfe von absichtlicher Täuschung“ zurück. In Bewertungs­verfahren von Pflanzenschutzmitteln sei es „üblich und anerkannt“, dass Behörden „nach kritischer Prüfung“ relevante Passagen aus den Dokumenten der Antragsteller in ihre Berichte integrieren, soweit diese fachlich zutreffen, erklärte das Institut.

Die EU-Kommission hatte im November 2017 die Neuzulassung von Glyphosat für weitere fünf Jahre beschlossen. Dieser Beschluss sei auf der Basis der Schluss­folgerungen des BfR erfolgt, kritisierte Noichl. Dies bedeute, dass das Pflanzengift derzeit „nicht auf der Grundlage einer unabhängigen und transparenten Bewertung auf dem Markt ist“. Das BfR habe „unsauber und nahe am Betrug“ gearbeitet.

Noichl forderte die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) auf, die Konsequenzen zu ziehen. Als oberste Dienstherrin des BfR müsse sie bei der in Berlin ansässigen Behörde nun „nachhaltig aufräumen“.

Der Einsatz von Glyphosat ist in Europa hoch umstritten: Während die Weltgesund­heits­organisation (WHO) und die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) das Herbizid als „wahrscheinlich“ krebserregend einstuften, kamen das BfR und die EU-Behörde für Lebensmittel EFSA zu einem anderen Schluss.

afp

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