Evangelische Kirche für vorgeburtliche Bluttests mit Beratung als Kassenleistung

Hannover – Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) spricht sich dafür aus, Maßnahmen der nichtinvasiven Pränataldiagnostik (NIPD) bei Risikoschwangerschaften als Kassenleistung anzuerkennen, plädiert zugleich aber auch dafür, im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge umfassende ethische und psychosoziale Beratungsangebote zu etablieren. „Ohne eine solche Beratung erscheint die Einführung der NIPT als Regelleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung der Kammer und dem Rat der EKD nicht als zustimmungsfähig", betont der EKD-Ratsvorsitzende, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Bislang übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die Kosten für nichtinvasive Pränataltests in der Regel nicht, aktuell prüft der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), ob die NIPD künftig in den Maßnahmenkatalog der GKV-Leistungen aufgenommen werden soll.
Der Vorsitzende der EKD-Kammer für Öffentliche Verantwortung, der Münchner evangelische Theologe Reiner Anselm, äußerte zugleich die Sorge, dass die beständige Ausweitung der vorgeburtlichen Untersuchungen zu einer Verschiebung des gesellschaftlichen Klimas beitragen könne. Es dürfe nicht dazu kommen. dass die Pränataldiagnostik eine erlaubte oder gar sozial erwünschte Praxis sei, um die Geburt von Kindern etwa mit Down-Syndrom zu verhindern.
Öffentliche Diskussion intensiver führen
Das Angebot der Tests als Kassenleistung verbunden mit einer Beratung solle zugleich dazu führen, diese Tests "der Logik des Marktes zu entziehen", betonte Anselm. Generell müsse die öffentliche Diskussion über Nutzen und Gefahren der Pränataldiagnostik intensiver geführt werden. Schwangere Frauen sollten möglichst früh darüber informiert werden, meinte der Theologe und fügte hinzu: "Wir wollen in die Wartezimmer der Gynäkologen."
Für die EKD ist es aber keine Frage, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten übernhemen sollen. Ihrer Ansicht nach sollten Frauen, die eine Pränataldiagnostik durchführen lassen wollen, nicht länger auf risikoreiche Fruchtwasseruntersuchungen angewiesen sein. Ebenso wichtig ist der Kirche aber, dass bei Risikoschwangerschaften im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen möglichst frühzeitig auf die Möglichkeit einer ethischen Beratung hingewiesen wird. „Die Kosten einer solchen Beratung, die die besondere Verantwortung der Gesellschaft für den Lebensschutz zum Ausdruck bringen soll, sind von der Gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen“, empfiehlt die EKD.
So sollen Schwangere die Möglichkeit erhalten, sich unabhängig von der gynäkologischen Betreuung über die Konsequenzen einer solchen Diagnostik klar zu werden, Ängste und Sorgen zu äußern, von Unterstützungsmaßnahmen zu erfahren und unabhängig von finanziellen Erwägungen oder medizinischen Risiken eine abgewogene Entscheidung zu treffen.
Katholische Kirche lehnt Kostenübernahme weiterhin ab
Anders als die EKD bleibt die katholische Kirche bei ihrem Nein zu vorgeburtlichen Bluttests als Kassenleistung. Die Debatte um die nicht-invasive Pränataldiagnostik sei wichtig, betonte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp am Freitag in Bonn: "Die Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD liefert dazu einen Diskussionsbeitrag. Wir teilen jedoch nicht die dort erhobene Forderung, Maßnahmen der nicht-invasiven Pränataldiagnostik in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen."
Ein solcher Schritt begegne "erheblichen ethischen Bedenken mit Blick auf den Schutz des ungeborenen Lebens", so Kopp weiter: "Wir setzen darauf, dass die von über 100 Abgeordneten des Deutschen Bundestages angestoßene Debatte über diese komplexen Fragen eine dringend notwendige gesellschaftliche, sozialethische und politische Klärung voranbringt. Dabei wird es auch wichtig sein, im ökumenischen Gespräch zu bleiben."
Kritik von den Grünen
Die Sprecherin für Behindertenpolitik der Bundestagsfraktion der Grünen, Corinna Rüffer, kritisierte das Ja der EKD zu vorgeburtlichen Bluttests als Kassenleistung. "Die Vorstellung der EKD, man könne den behindertenfeindlichen Charakter dieser Tests irgendwie einhegen, wenn man ihn staatlich finanziert und die Frauen zu einer Pflichtberatung schickt, ist naiv", so Rüffer am Freitag in Berlin. Schon heute würden bei einem Verdacht auf Trisomie 21 (Down-Syndrom) rund 90 Prozent der Schwangerschaften abgebrochen.
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