Ausland

Experten besorgt über mangelnde Eindämmung der Vogelgrippe in USA

  • Montag, 28. Oktober 2024
/forma82, stock.adobe.com
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Washington/Greifswald – Angesichts der weiteren Ausbreitung der hochpathogenen Vogelgrippe bei Milchkühen in den USA zweifeln Fachleute an einer baldigen Eindämmung. Sorge bereitet dabei auch die nahende Grippe­saison, die etwa das Erkennen von H5N1-Fällen bei Menschen erschweren könnte.

„Es ist nicht zum Stehen gebracht worden“, sagte der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) auf der Insel Riems bei Greifswald, Martin Beer. „Und ich kann leider im Moment auch nicht erkennen, dass Maßnahmen ergriffen werden, die das Geschehen jetzt schnell stoppen würden.“

Es fehle etwa an einer flächendeckenden Überwachung. „In den USA gibt es etwa 25.000 Milchviehbetriebe, und ich weiß nicht, wie viele bisher überhaupt untersucht wurden. Aber wahrscheinlich nur ein Bruchteil.“ Im US-Bundesstaat Colorado, wo flächendeckend untersucht werde, seien von weniger als 300 Betrieben etwa 60 betroffen.

Insgesamt ist die offiziell bestätigte Zahl betroffener Milchviehherden in den USA seit Bekanntwerden des Aus­bruchs im Frühjahr auf mittlerweile 380 gestiegen (Stand heute). Der Erreger hat vor einigen Wochen Kalifor­nien erreicht, den größten US-Milchproduzenten. Vor allem durch Meldungen von dort steigen die Fallzahlen derzeit.

Kritik an halbherziger Bekämpfung

Die Freitestung von Transporten zwischen Betrieben müsse viel engmaschiger sein, sagte Beer. Und in betroffe­nen Betrieben müssten Maßnahmen ergriffen werden, etwa die Absonderung oder gar Tötung von Tieren. „Rein aus der Bekämpfungssicht wird noch zu wenig getan.“

Auch der britische Virologe Thomas Peacock bemängelte laut einem Artikel von heute auf dem Portal STAT News, dass es in den USA immer noch nicht den politischen Willen zu US-weiten, koordinierten Tests gebe, um herauszufinden, wo sich das Virus befindet. Er denkt demnach etwa an großangelegte Milchtests auf Farmen.

In Deutschland würde man – auch wegen der Erfahrungen etwa mit BSE – völlig anders mit einer solchen Situ­ation umgehen, betonte FLI-Fachmann Beer: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das länger als ein paar Wochen laufen würde, und dann wäre das beendet.“

Erst jüngst hat eine unter anderem von Beer im Fachjournal Nature veröffentlichte Studie ergeben, dass sich das Virus vor allem über die Milch überträgt und wahrscheinlich primär über das Melkgeschirr. Die Tiere stecken sich demnach über das Euter an. Dass der aus dem Tierreich stammende Erreger H5N1, der auch Menschen infizieren kann, sich weiter ausbreitet, macht dem Experten Sorge.

Zahl der Fälle beim Menschen weiter gestiegen

Bis Ende vergangener Woche wurden in den USA nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC 34 Fälle bei Menschen registriert – fast ausschließlich bei Mitarbeitern von Milchvieh- und Geflügelbetrieben und mit milden Verläufen. Glücklicherweise gebe es bislang keine Anzeichen dafür, dass sich das Virus schnell an Rinder oder an Menschen anpasse, sagte Beer.

US-Behörden bekräftigten vergangene Woche zum wiederholten Male, dass es bislang keine Anhaltspunkte für eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung gebe – auch nicht in einem rätselhaften Fall in Missouri. Dabei handelt es sich um den einzigen der bisher mehr als 30 Erkrankten, bei dem kein vorheriger Kontakt zu infizierten Tieren bekannt ist.

Da Kontaktpersonen dieses Patienten Symptome entwickelten, wurden im Nachhinein Blutuntersuchungen durch­geführt. Bei mehreren Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, deutete nichts auf eine durchge­machte Infektion mit diesem Virus hin, wie die CDC vergangene Woche mitteilten. Ihre Krankheitsanzeichen hätten demnach nichts mit dem Kontakt zu dem H5N1-Patienten zu tun gehabt.

Bei einem Haushaltskontakt des Patienten wird laut den CDC in der rückblickenden Untersuchung eine durch­gemachte H5N1-Infektion für möglich gehalten. Da beide aber zeitgleich krank geworden seien, gehe man von derselben Infektionsquelle und nicht von Mensch-zu-Mensch-Übertragung aus. Diese Quelle ließ sich den Angaben zufolge bisher jedoch allen Mühen zum Trotz nicht aufspüren.

Grippewelle könnte Beobachtung der H5N1-Lage erschweren

Fachleute befürchten laut STAT News nun, dass die Erkältungs- und Grippezeit das Beobachten der H5N1-Lage in den USA erschweren dürfte. Gerade milde Verläufe, wie die bisher erfassten Fälle, drohen demnach in den kommenden Monaten eher durch das Raster zu fallen.

„Es wird eine größere Herausforderung sein. Es werden mehr Viren im Umlauf sein und mehr Fälle auftauchen. Die Labore werden viel mehr zu tun haben“, sagte WHO-Expertin Maria Van Kerkhove dem Portal.

Ohnehin bereitet die bevorstehende Grippewelle Fachleute schon länger Sorge, weil damit auch das Risiko von Co-Infektionen wächst. Die Befürchtung ist, dass es dabei zu einer Vermischung eines humanen saisonalen Grippevirus mit aviärer Influenza (Reassortierung) kommen könnte.

Die Vogelgrippe hat sich in den zurückliegenden Jahren in bislang unbekanntem Ausmaß weltweit verbreitet. Als einziger Kontinent blieb bisher Australien verschont. Vergangenes Jahr hatte das H5N1-Virus auch die Antarktis erreicht, wo unter anderem unzählige Pinguine, aber auch potenziell gefährdete Meeressäuger leben.

dpa/ggr

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