Ärzteschaft

Experten für mehr Patientenzentrierung in Studien zur Multiplen Sklerose

  • Montag, 9. Dezember 2019
/ralwel, stock.adobe.com
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Berlin/Köln – Empfehlungen, wie die Perspektiven der Patienten mit Multipler Sklerose (MS) bei klinischen Studien stärker berücksichtigt werden können, hat eine Arbeitsgruppe der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), der Charité – Universitäts­medizin Berlin und des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) entwickelt. Sie sind in der Fachzeitschrift EPMA Journal erschienen (doi 10.1007/s13167-019-00192-z).

Die Wissenschaftler haben dazu 29 zulassungsrelevante Phase-III-Studien zu MS-Arznei­mitteln analysiert. Die Auswertung zeigt, dass die Patientenperspektive und damit Symp­tome wie Fatigue oder die gesundheitsbezogene Lebensqualität in der Regel nicht be­rück­sichtigt wurden. Dagegen wurden biologische Indikatoren und Endpunkte zu bildge­benden Verfahren mit unklarer Bedeutung für die Krankheitsschwere der Betroffenen re­gelhaft untersucht.

Für die Betroffenen haben aber bestimmte Symptome und Krankheitsfolgen eine sehr hohe Bedeutung. Daher ist es der Arbeitsgruppe zufolge wichtig, die Patientenperspekti­ve auch in Studien mithilfe von Patienten berichteten Endpunkten zu erheben. „Wenn in Studien keine Daten zu Symptomen und zur Lebensqualität erhoben werden, dann ergibt sich aus diesen kein vollständiges Bild zum Nutzen eines Arzneimittels“, erklärte Thomas Kaiser, Ressortleiter Arzneimittel im IQWiG.

Hinzu kommt laut der Arbeitsgruppe, dass die auf dem Markt befindlichen immunmodu­la­torischen Arzneimittel überwiegend nur in ein- bis zweijährigen Zulassungsstudien untersucht wurden. Über diese Dauer hinaus liegen laut den Forschern kaum methodisch fundierte Daten zum Nutzen oder zu Nebenwirkungen dieser Arzneimittel vor.

„Zulassungsstudien sind aufgrund ihrer Dauer und meist kurzen Nachbeobachtung nicht geeignet, die mitunter auch sehr schweren Nebenwirkungen zu erfassen, die erst nach längerer Therapie auftreten“, erklärte Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der AkdÄ. Auf­grund dieser Mängel des Designs klinischer Studien hat die Arbeitsgruppe Verbesse­rungs­vorschläge entwickelt.

„Mit unseren Empfehlungen wollen wir einen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung von Patienten mit MS leisten“, sagt Sinje Gehr, Projektleiterin der Charité MS Initiative. Zukünftige Studien bei MS sollten dem unmittelbaren Erleben der Betroffenen eine höhe­re Relevanz beimessen, indem patientenberichtete Endpunkte stärker in den Fokus ge­rückt werden.

Dies gilt insbesondere für die sehr belastenden Symptome wie Fatigue, Schmerzen, De­pressionen und kognitive Einschränkungen. Ebenso sollten angesichts der oft über viele Jahre erforderlichen Behandlung mit immunmodulierenden Substanzen die Studienteil­nehmer länger beobachtet werden, um mehr Erkenntnisse über wesentliche Folgekompli­ka­tionen und Nebenwirkungen zu erhalten, sind zentrale Forderungen.

„Wenn wir die Studien in Zukunft so konzipieren, dass sie sich stärker an den Bedürfniss­en der Betroffenen orientieren, erhalten wir Studienergebnisse, die uns eher in die Lage versetzen, die Patienten zielgerichteter und individualisiert medizinisch zu versorgen“, betonte Friedemann Paul, wissenschaftlicher Direktor des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung von Charité und Max- Delbrück-Centrum für molekulare Medizin (MDC).

hil

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