Abschiebeverfahren: Montgomery weist Kritik an Ärzten zurück

Berlin – Ärzte in Deutschland stellen zu großzügige Atteste für nicht anerkannte Asylbewerber aus und verhindern dadurch deren Abschiebung. Diesen Vorwurf hat Innenminister Thomas de Maizière in der Rheinischen Post erhoben. „Es werden immer noch zu viele Atteste von Ärzten ausgestellt, wo es keine echten gesundheitlichen Abschiebehindernisse gibt“, sagte der CDU-Politiker. Es könne nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt würden. „Dagegen spricht jede Erfahrung“, betonte de Maizière.
Die Kritik des Bundesinnenministers wies der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, umgehend zurück. „Ärztliche Gutachter in Abschiebeverfahren geraten immer wieder zwischen die Fronten“, erläuterte er. Mal werde ihnen vorgeworfen, sie erstellten Gefälligkeitsgutachten im Sinne der Asylbewerber. Dann heiße es wieder, sie seien Erfüllungsgehilfen staatlicher Stellen. „Solche Unterstellungen – egal aus welcher Richtung sie kommen – entbehren jeder Grundlage und bringen uns nicht weiter“, so der BÄK-Präsident.
Montgomery betonte, ärztlichen Gutachtern müsste für eine gründliche Diagnose körperlicher und seelischer Krankheiten ausreichend Zeit und ausgebildete Dolmetscher zur Verfügung gestellt werden. „Gerade bei den beschleunigten Abschiebeverfahren nach dem Asylpaket II ist das nicht mehr gewährleistet“, bemängelte er.
Der BÄK-Präsident merkte zudem an, die Behörden könnten jederzeit die jeweils zuständige Landesärztekammer für die Benennung qualifizierter Gutachter ansprechen. Das werde jedoch kaum genutzt. Aus Sicht von Montgomery ist die Politik am Zug. „Statt den öffentlichen Gesundheitsdienst weiter kaputtzusparen, sollten seine Ressourcen den steigenden Anforderungen durch die Flüchtlingsversorgung angepasst werden“, forderte er.
Die BÄK hat ein Curriculum mit Standards für die Qualifizierung von Gutachtern erstellt. Zur Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge wurde zudem ein Modellprojekt entwickelt, das auch die Vermittlung asylrechtlicher Kompetenzen vorsieht. Darüber hinaus stellen die Ärztekammern Informationen über die formal und inhaltlich korrekte Erstellung von Attesten zur Verfügung.
Die Opposition kritisierte die Äußerungen de Maizières scharf. „Dass der Bundesinnenminister Ärzten die Urteilsfähigkeit abspricht, weil ihm seine Abschiebezahlen nicht passen, zeigt, dass nicht nur ein politisches Konzept, sondern auch der Anstand fehlt“, erklärte der Vizevorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Jan Korte. Die Aussagen de Maizières ließen „jede Empathie und Menschlichkeit vermissen“.
Grünen-Chefin Simone Peter verwies auf Angaben von Pro Asyl, wonach fast jeder zweite Asylsuchende unter einer posttraumatischen Belastungsstörung oder vergleichbaren Erkrankungen leide. „Wer in Kenntnis dieser Zahlen Ärzte auffordert, gegen ihren hippokratischen Eid zu verstoßen und ihnen Gefälligkeitsgutachten unterstellt, tritt grundlegende Menschenrechte mit Füßen“, kritisierte Peter.
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