Familiäre Hypercholesterinämie: Screening der Kleinkinder könnte Eltern schützen

London – Ein Screening von Kleinkindern auf eine familiäre Hypercholesterinämie hat auf tausend Untersuchungen vier Fälle der häufigen Erbkrankheit erkannt. Weitere vier Erkrankungen wurden bei der anschließenden Untersuchung der Eltern gefunden, die laut dem Bericht im New England Journal of Medicine (2016; 375: 1628-1637) einen direkten Nutzen vom Screening ihrer Kinder haben könnten.
Mit einer Häufigkeit von 1 zu 250 Personen gehört die familiäre Hypercholesterinämie (FH) zu den häufigen Erbkrankheiten. Ursache sind Defekte im Rezeptor für das LDL-Cholesterin. Dadurch steigt das LDL-Cholesterin an. Da eine Behandlung mit Statinen nachweislich vor Herzinfarkt und anderen Folgen der beschleunigten Atherosklerose schützen kann, wird seit längerem über ein Screening diskutiert.
Das britische Medical Research Council hat erstmals eine größere Pilotstudie finanziert. An 92 Allgemeinarztpraxen (die in England auch Kinder versorgen) wurde bei 10.059 Kindern im Alter von ein bis zwei Jahren anlässlich eines Impftermins auch eine Blutprobe aus der Ferse entnommen. In jeder Blutprobe wurde der Cholesterinwert bestimmt und ein Gentest auf 48 bekannte Mutationen im LDL-Rezeptor-Gen durchgeführt.
Beide Tests waren laut der Gruppe um Nicholas Wald vom Wolfson Institute of Preventive Medicine notwendig, da der Gentest nicht alle möglichen Mutationen erfasst und nicht alle Träger der Mutationen auch einen erhöhten Cholesterinwert haben. Bei Kindern mit erhöhtem Cholesterin und negativem FH48-Test wurde deshalb das Gen sequenziert.
Die Studie ermittelte 37 Kinder mit einer FH, von denen 20 erhöhte Cholesterinwerte (über der 95. Perzentile) hatten. Das ergibt eine Prävalenz von 1 zu 273 (37/10.059 oder 0,36 Prozent) oder vier Treffer auf tausend gescreente Personen. Diese Kinder haben im Erwachsenenalter ein erhöhtes Risiko auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung (allerdings nur, wenn der Cholesterinwert ansteigt). Es gilt als erwiesen, dass Statine die Gefahr vermindern, wobei sich laut den Ergebnissen einer Studie (JAMA 2004; 292: 331-7) ein Behandlungsbeginn bereits im Jugendalter anbietet.
Da die FH autosomal-rezessiv vererbt ist, bedeutet ein positives Ergebnis des Kindes, das einer der beiden Eltern ebenfalls an einer FH leidet. Tatsächlich wurde bei allen untersuchten Elternpaaren dieselbe Mutation wie bei ihrem Kind gefunden. Die meisten hatten ein erhöhtes LDL-Cholesterin, wovon sie in der Regel nichts wussten. Sie hatten zumeist noch nicht das Alter erreicht, in dem bei Erwachsenen ein Cholesterinscreening durchgeführt wird.
Die rechtzeitige Behandlung der Eltern könnte verhindern, dass einige Kinder vor dem Erwachsenenalter zu Halbwaisen werden, weil ein Elternteil an einem Herzinfarkt oder anderen Folgen der beschleunigten Atherosklerose stirbt, schreibt Wald. Die Kosten für die Diagnose einer FH beziffert der Experte auf 2.900 US-Dollar, wobei allein die Testkosten zählen. Die Untersuchung könne jedoch im Rahmen eines Impftermins beim Arzt ohne großen Aufwand durchgeführt werden.
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