Famulatur im Jemen: Reise ins Unbekannte
Schon am Anfang unseres Medizinstudiums hatten wir beschlossen, einen Teil der Ausbildung im Ausland zu machen, jedoch wurde der Plan erst mit Beginn des klinischen Abschnitts durchführbar und ging nun am Anfang des 4. Studienjahres in Erfüllung.
Um zu lernen, wie man als europäischer Arzt in einem Dritte-Welt-Land helfen kann, erschien es uns als besonders reizvoll, mit einer Hilfsorganisation in ein solches Land zu gehen. Uns ist es wichtig, schon während des Studiums Erfahrungen unter guter ärztlicher Anleitung zu sammeln, statt später direkt selbstständig dort zu arbeiten und dann mit Krankheiten konfrontiert zu werden, die man bei uns nur aus Lehrbüchern kennt.
Als wir vom Hammer Forum erfuhren und nach Lektüre der Internetseiten ganz begeistert waren, bewarben wir uns dort um eine vierwöchige Famulatur. Von Dr.Emmanouilidis erhielten wir das Angebot im Al-Thawara Hospital in Taiz, Jemen zu arbeiten, welches wir direkt annahmen.
Unsere Bedenken bezüglich der fremden Kultur, Sprache, Religion und Unkenntnis über die derzeitige politische Lage wurden zwar mit Näherrücken des Abflugtages immer größer, verflogen jedoch schon am Flughafen in Sanaa, wo wir von Dr.Ali herzlich empfangen wurden und lösten sich am nächsten Tag nach der ebenso freundlichen Aufnahme durch Dr.Salah, dem Leiter der Verbrennungsstation in Taiz vollständig auf.
Wir waren schockiert, als wir direkt bei unserer Ankunft in der Verbrennungsstation einen schwerstverbrannten Jungen davor stehend warten sahen und in der allgemeinen Notaufnahme an unserem ersten Tag eine Familie, die durch einen Autounfall getötet worden war, aus dem Kofferraum eines Polizeiautos zur Leichenbeschauung herein gebracht wurde. Wir hatten noch nie so schlimme Verletzungen gesehen, auch nicht ähnliches in der einjährigen Arbeit als Rettungssanitäter.
Diese Anblicke bereiteten uns jedoch gut auf die zukünftige Arbeit vor und nach kurzer Zeit waren wir soweit abgehärtet, es als weitgehend normal hinzunehmen.
Morgens nahmen wir an der Visite auf der Verbrennungsstation teil, halfen beim Verbandwechsel und assistierten, wenn Operationen anstanden.
Die Nachmittage verbrachten wir in der Notaufnahme, wo wir leider aufgrund nur minimaler Arabischkenntnisse keine Anamnesen erheben konnten. Stattdessen machten wir uns in dem von uns so titulierten „Raum fürs Grobe“ nützlich, in dem tagein, tagaus große Platzwunden zusammen genäht und diverse Brüche gegipst werden.
Die Zustände im Krankenhaus sind nahezu kaum mit Deutschland vergleichbar. Abgesehen von den Menschenmassen, die man keiner Funktion zuordnen kann, die einfach nur zum Grüßen und Palavern da sind, den Kat-kauenden Ärzten (jemenitische Alltagsdroge), den 8-12 Bett Zimmern mit einfachen Pritschen, dem vielen Sicherheitspersonal und vielem mehr, fehlt neben der Hygiene besonders das, was man im Krankenhaus vermuten sollte: Medikamente, Verbandmaterial und sogar Nadel und Faden müssen zunächst von den Angehörigen aus umliegenden Apotheken besorgt werden, bevor der Arzt behandeln kann!!!
Die Versorgung in der Notaufnahme befindet sich in einem desolaten Zustand, was nicht nur an der schlechten materiellen Versorgung, niedrigen Bezahlung der Ärzte und mangelhaften medizinischen Ausbildung liegt.
Im Laufe der Zeit wurde uns immer bewusster, wie gering das Interesse und Verantwortungsgefühl der Ärzte gegenüber den Patienten ist. So lagen z.B. mehrere Patienten mit Knochenbrüchen seit mehr als 4 Wochen in der Notaufnahme, ohne auch nur eine Röntgenaufnahme o.ä. bekommen zu haben, weil sie die Kosten dafür nicht tragen konnten.
Mittlerweile rochen ihre einfachen Verbände nach Eiter und selbst die Fäkalien waren nicht vollständig beseitigt worden.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist uns ein Patient, dessen Hautwunde nach einer Pfählungsverletzung ohne Untersuchung auf innere Verletzungen einfach zugenäht worden war. Acht Tage später entdeckten wir ihn mit Dr.Emmanouilidis zufällig bei einer Visite auf der N
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