FDA: Exazerbation einer AHDS durch Lebensmittelfarbstoffe vorstellbar
Rockville – Gutachter der US-Food and Drug Administration (FDA) diskutieren dieser Tage auf einer Tagung über mögliche Auswirkungen von Lebensmittelfarbstoffen auf Kinder mit der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung ADHS. Die FDA hält einen kausalen Zusammenhang nicht für erwiesen.
Bei bestimmten „empfindlichen“ Kindern könnten bestimmten Nahrungsbestandteilen, „darunter synthetische Farbstoffe, aber nicht nur diese“, zu einer Exazerbation der AHDS führen, heißt es in den Tagungsunterlagen.
Die Diskussion um die Sicherheit von Lebensmittelfarbstoffen wurde vor einigen Jahren durch die sogenannte Southampton-Studie angestoßen. In dieser randomisierten kontrollierten Doppelblindstudie hatten Kinder im Alter von 3 oder 8 bis 9 Jahren nach dem Trinken bestimmter Mischungen aus Lebensmittelfarbstoffen und dem Konservierungsstoff Natriumbenzoat erhöhte Werte in einem „global hyperactivity aggregate“ gezeigt (Lancet 2007; 370: 1560-1567).
Die Auswirkungen waren teilweise signifikant, ihre klinische Relevanz wurde jedoch infrage gestellt. Dass in der Studie Mischungen verschiedener Lebensmittelfarbstoffe und nicht die Einzelstoffe selbst untersucht wurden, hat dazu beigetragen, dass die zuständigen Behörden, die European Food Safety Authority (EFSA) und die FDA, bisher keine Konsequenzen gezogen haben.
Nur das Europäische Parlament sprach sich für Warnhinweise als Vorsichtsmaßnahme aus. Als sie im Juli 2010 diese für einzelne Nahrungsmittel beschloss, führte dies sogleich zu einer Beschwerde der US-Regierung bei der World Trade Organization. Auch die FDA bezweifelt jetzt, dass es für eine Schädigung eine wissenschaftliche Evidenz gibt.
Die Behörde beschäftigt sich dennoch am 30. und 31. März mit der Frage. Anlass ist nicht zuletzt eine Petition der US-Verbraucherschutzorganisation Center for Science in the Public Interest. Diese verlangt das Verbot von acht der insgesamt neun in den USA zugelassenen Lebensmittelfarbstoffe.
Dazu wird es vermutlich nicht kommen. Ein Verbot käme aus Sicht der FDA nur infrage, wenn sich einzelne Lebensmittelfarbstoffe als toxisch erweisen sollten. Solche Fälle hatte es in der Vergangenheit tatsächlich gegeben.
1950 erkrankten in den USA Kinder, nachdem sie zu Halloween Süßigkeiten gegessen hatten, die mit “Orange No. 1” gefärbt waren. Dieser Farbstoff wurde daraufhin verboten. Im Jahr 1976 wurde “Red No. 2” verboten, weil er im Verdacht stand, karzinogen zu sein.
Die heute zugelassenen Lebensmittelfarbstoffe wurden toxikologischen Tests unterzogen. Aus den Ergebnissen wurden die erlaubten Tagesdosen (Acceptable Daily Intake, ADI) kalkuliert. Sie entsprechen einem Hundertstel der Konzentrationen, die bei den Versuchstieren keinerlei Effekte zeigten (No Observed Effect Level, NOEL).
Nach den Recherchen der FDA liegen die ADI deutlich unter der derzeitigen Aufnahme der Lebensmittelfarbstoffe durch die Bevölkerung (estimated daily intake, EDI). Aus toxikologischer Sicht sind sie deshalb unbedenklich.
Negative Auswirkungen sind nach Einschätzung der FDA allenfalls im Sinne einer Überempfindlichkeitsreaktion denkbar. Ob die Gutachter diese Ansicht teilen werden, ist fraglich. Denn die Southampton-Studie wurde nicht an Kindern mit einer bekannten Überempfindlichkeit durchgeführt.
Beobachter erwarten allerdings nicht, dass sich die Gutachter für ein Verbot aussprechen werden. Auch Warnhinweise dürfte es vorerst nicht geben. Vermutlich werden die Gutachter für weitere wissenschaftliche Untersuchungen plädieren.
Nachtrag: Die externen Gutachter der FDA sprachen sich am Ende der Tagung mit 8 gegen 6 Stimmen gegen einen Warnhinweis aus. Die FDA ist nicht an das Votum gebunden, richtet sich in aller Regel aber danach. Der Grocery Manufacturers Association, ein Interessenverband der Backwarenindustrie, begrüßte die Entscheidung. Ein Vertreter des Center for Science in the Public zeigte sich enttäuscht, aber auch froh darüber, dass sich die FDA überhaupt des Themas angenommen habe.
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