Medizin

„Mississippi Baby“: HI-Viren kehren nach funktioneller Heilung zurück

  • Freitag, 11. Juli 2014
Uploaded: 11.07.2014 12:04:04 by mis
dpa

Bethesda – Die Hoffnung, eine perinatale HIV-Infektion durch eine antiretrovirale Kombinationstherapie heilen zu können, hat einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Nachdem das „Mississippi Baby“ nach dem Absetzen der Medikamente länger als zwei Jahre ohne Virusnachweis im Blut blieb, sind die Tests jetzt wieder positiv, wie die Ärzte auf einer Pressekonfeenz mitteilten.

Das Kind war 2010 in einer Klinik im US-Staat Mississippi von einer HIV-positiven Mutter entbunden worden, die in Unkenntnis ihrer Infektion während der Schwangerschaft keine antiretroviralen Medikamente eingenommen hatte (was normalerweise eine perinatale Infektion verhindert).

Wegen des hohen Risikos einer HIV-Übertragung unter der Geburt hatte sich das Team um Hannah Gay von der University of Mississippi Medical Center in Jackson zu einer hochdosierten antiretroviralen Therapie mit Zidovudin, Lamivudin und Nevirapin entschlossen, die 30 Stunden nach der Geburt begonnen wurde, noch bevor die Tests zeigten, dass sich das Kind tatsächlich infiziert hatte.

Die Therapie wurde über 18 Monate fortgesetzt, bis die Ärzte vorübergehend den Kontakt zu Mutter und Kind verloren. Als die Mutter fünf Monate später die Klinik wieder aufsuchte, fiel der Antikörpertest bei ihrem Kind überraschenderweise negativ aus und die Viruskonzentration im Blut lag unterhalb der Nachweisgrenze von 20 Kopien pro Milliliter. Da es dem Kind gut ging, rieten die Ärzte der Mutter, auf eine Wiederaufnahme der antiretroviralen Therapie zu verzichten.

Seither wird das Kind alle sechs bis acht Wochen untersucht. Als das Mädchen im Alter von 30 Monaten immer noch ohne Virusnachweis war, wagte das Team um Deborah Persaud von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore, das die Ärzte in Jackson unterstützt, im New England Journal of Medicine (NEJM 2013; 369: 1828-35) eine positive Prognose.

Doch in der vergangenen Woche wurden dann – das Mädchen steht zwei Monate vor seinem vierten Geburtstag – bei einer Routineuntersuchung HI-Viren im Blut nach­gewiesen. Die Viruskonzentration betrug im ersten Test 16.750 Kopien pro Milliliter, bei der Kontrolle waren es 10.564 Kopien pro Milliliter. Auch der Antikörpertest fiel positiv aus, und die Konzentration der CD4-positiven T-Zellen war bereits abgefallen.

Die Ärzte entschieden sich deshalb, die antiretrovirale Therapie wieder aufzunehmen. Das Kind vertrage die Medikamente ohne Nebenwirkungen und die Viruskonzentration sei bereits wieder zurückgegangen, heißt es in der Pressemitteilung. Warum die Viren länger als zwei Jahre im Blut nicht nachweisbar waren, ist für die Forscher ein Rätsel.

Ein Auslöser für das Wiederauftreten sei ebenfalls nicht erkennbar, berichten sie. Eine erneute Infektion schlossen sie nach der Sequenzierung des Virus-Genoms aus. Der Erreger sei identisch mit dem Virus, das nach der Geburt bei dem Kind nachgewiesen wurde. Die Ärzte gehen von einer kontinuierlichen Infektion aus. Da außer dem Blut keine weiteren Proben untersucht wurden, ist unklar, wo sich das HIV-Reservoir bei dem Kind befindet.

Trotz des Misserfolgs wollen die Mediziner in ähnlichen Fällen an einer hochdosierten antiretroviralen Therapie festhalten. Die Pläne für eine Studie, an der weltweit 450 Kinder teilnehmen sollten, sollen allerdings überarbeitet werden.

Mit dem Misserfolg der funktionellen Heilung bleibt der „Berlin- Patient“ Timothy Brown der weltweit einzige Mensch, der erfolgreich von HI-Viren befreit wurde. Dies geschah unbeabsichtigt im Rahmen einer Leukämiebehandlung durch eine hämatologische Stammzelltherapie, die den Patienten mit einer genetischen Resistenz gegen eine HIV-Infektion ausstattete. Im letzten März war in Kalifornien ein zweites Kind nach einer aggressiven Therapie ebenfalls virusfrei. Die Mediziner dort zögerten allerdings, von einer funktionellen Heilung zu sprechen.

rme

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