HIV-infiziertes Kind neun Jahre nach Absetzen der Medikamente ohne Virusnachweis im Blut

Paris – Eine frühzeitige aggressive antiretrovirale Therapie könnte, wenn auch in wenigen Einzelfällen, verhindern, dass Kinder nach einer perinatalen Virus-Übertragung eine chronische HIV-Infektion entwickeln. US-Mediziner stellten auf einer Fachtagung der International AIDS Society in Paris den Fall eines neunjährigen Mädchens vor.
Das Kind einer HIV-infizierten Mutter kam 2007 in Südafrika zur Welt. Im Alter von 32 Tagen wurde bei dem Kind eine HIV-Infektion diagnostiziert. Es wurde daraufhin in die CHER-Studie des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) aufgenommen. Die Studie hatte HIV-infizierte Säuglinge auf den frühzeitigen oder einen späteren Beginn einer antiretroviralen Therapie randomisiert. Das Kind war der frühzeitigen Therapie zugeteilt worden. Es wurde zunächst über 40 Wochen mit einer Kombination aus Lopinavir-Ritonavir, Zidovudin und Lamivudin behandelt, den damaligen Standardmedikamenten.
Wie Vertreter des NIAID jetzt in Paris mitteilten, hatte das Kind eine hohe Viruslast, die aber schon bald nach dem Beginn der Therapie auf Werte unterhalb der Nachweisgrenze gedrückt werden konnte. Die Therapie wurde wie vorgesehen nach 40 Wochen beendet. Zum Verständnis: Es war damals nicht üblich, HIV-infizierte Kinder vor Eintreten einer Immunschwäche zu behandeln. Es wurde in der Regel abgewartet, bis die CD4-Werte abfallen. Bei dem Kind wurden deshalb nur die CD4-Werte bestimmt, nicht aber die Viruslast. Es wurden jedoch Blutproben archiviert.
Bei einer Nachuntersuchung im Alter von neun Jahren fiel auf, dass die Viruslast im Blut unterhalb der Nachweisgrenze lag. Dies ist sehr ungewöhnlich. Auch bei Kindern kommt es nach dem Absetzen der Medikamente in der Regel schnell zu einer Virusreplikation. Die Forscher untersuchten die archivierten Blutproben: Die Viruslast war seit dem Ende der Therapie unterhalb der Nachweisgrenze geblieben.
Die Forscher sprechen jedoch nicht von einer Heilung. Genauere Untersuchungen hätten gezeigt, dass sich ein Virusreservoir in einer Untergruppe von Abwehrzellen gebildet hat. Diese Viren würden sich jedoch derzeit nicht replizieren und das Kind habe auch nur eine schwache Immunantwort entwickelt (Genaue Details werden in der Pressemitteilung nicht genannt, eine Publikation des Falles steht noch aus).
Was genau für die ungewöhnliche Langzeit-Remission verantwortlich ist, wissen die Forscher nicht. Genetische Ursachen schließen sie aus. Bei Erwachsenen gibt es hin und wieder sogenannte Elite-Controller. Diese sind chronisch mit HIV infiziert (mit einer Viruslast über der Nachweisgrenze). Es vergehen jedoch ungewöhnlich viele Jahre, bis es zur Immunschwäche kommt.
Das neunjährige Kind ist der dritte Fall einer längeren Remission nach einer frühzeitigen aggressiven antiretroviralen Therapie. Der erste Fall war das „Mississippi Baby“, das 2010 mit HIV geboren wurde. Bei dem Kind war 30 Stunden nach der Geburt mit einer antiretroviralen Therapie begonnen worden. Die Mutter setzte die Medikamente ab, als das Kind 18 Monate alt war. Das Kind blieb 27 Monate ohne Virusnachweis im Blut, bis die Virusreplikation erneut einsetzte.
Der zweite Fall war ein Kind in Frankreich, das 1996 mit HIV geboren wurde. Bei dem Kind wurde im Alter von drei Monaten mit einer antiretroviralen Therapie begonnen. Die Medikamente wurden irgendwann im Alter zwischen 5 und 7 Jahren abgesetzt. Das Kind blieb danach über 11,5 Jahre virusfrei und war es auch bei der Publikation im Jahr 2015.
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