Vermischtes

Fehlzeiten weiterhin auf hohem Niveau

  • Dienstag, 14. Oktober 2025
/picture alliance, CHROMORANGE, Michael Bihmayer
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Berlin – Die erkrankungsbedingten Fehlzeiten bei Beschäftigten bewegen sich weiterhin auf einem anhaltend hohen Niveau. Dies gab der AOK Bundesverband heute in Berlin bekannt. Den neuen Daten aus dem Fehlzeitenreport zufolge wurde der bisherige Höchstwert an AU-Fällen bei AOK-Versicherten im vergangenen Jahr noch einmal übertroffen.

Jeder bei der AOK versicherte Beschäftigte ist demnach im vergangenen Jahr durchschnittlich 2,3 Mal krankheitsbedingt ausgefallen. Mit 228 AU-Fällen je 100 Mitglieder ist der Wert im Vergleich zu 225 Fällen je 100 Mitglieder im Jahr 2023 noch einmal gestiegen.

Treiber sind auch im vergangenen Jahr wieder die Atemwegserkrankungen gewesen. 2024 war demnach mehr als jeder dritte AU-Fall darauf zurückzuführen. Sie haben im Februar 2025 einen neuen Höchststand erreicht, pendeln sich seit April jedoch auf einem etwas niedrigeren Niveau ein als in Vergleichsmonaten des Vorjahres.

„Die Gesamtbilanz des Jahres 2025 wird vermutlich aber ähnlich ausfallen wie im Vorjahr“, sagte Helmut Schröder, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und Mitherausgeber des neuen Fehlzeitenreports. Zurückzuführen sei dies auf den wellenförmigen Verlauf von Viruserkrankungen.

„Erkältungs- und Grippewellen sowie Coronainfektionen haben bereits Ende September 2025 zugenommen und werden das AU-Geschehen bis zum Ende des Jahres bestimmen“, prognostizierte Schröder.

Für die vergangenen Jahre habe die Forschung außerdem eine erhöhte virale Zirkulation und eine erhöhte Empfänglichkeit für Infektionen ausmachen können, was in Zusammenhang mit der Coronapandemie gebracht und noch immer als „Nachwirkung“ betrachtet werden könne.

Ein weiterer Grund für den Anstieg der Krankmeldungen in den vergangenen Jahren könnte dem AOK-Bundesverband zufolge die Einführung der elektronischen Krankmeldung im Jahr 2022 sein. „Dies dürfte zu einer vollständigeren Erfassung der AU-Bescheinigungen beigetragen haben“, erklärte der WIdO-Geschäftsführer.

„Denn es ist zu vermuten, dass vor Einführung der eAU nicht alle Versicherten ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei ihren Krankenkassen eingereicht haben – vor allem, wenn es um eher kürzere Erkrankungen ging“, sagte er.

Keine Evidenz sieht der AOK-Bundesverband hingegen für einen Missbrauch der telefonischen Krankschreibung. Eine aktuelle Analyse des Zentralinstituts der kassenärztlichen Versorgung (Zi) habe gezeigt, dass die Einführung der Krankschreibung per Telefon oder Videosprechstunde nicht die Ursache für den starken Anstieg der AU-Fälle in den vergangenen Jahren sein könne, sagte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.

„Dies macht auch eine Analyse des WIdO deutlich“, betonte Schröder. Im vergangenen Jahr seien rein rechnerisch nur 1,5 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsfälle wegen Atemwegserkrankungen telefonisch veranlasst worden. Von insgesamt 26,4 Millionen atemwegsbedingten AU-Fällen seien nur in 145.000 Fällen telefonische Krankschreibungen abgerechnet worden. „Dieser geringe Anteil kann den starken Anstieg der AU-Fälle nicht erklären“.

Neben den Atemwegserkrankungen haben im vergangenen Jahr auch psychische Erkrankungen zu einem hohen Krankenstand unter den Beschäftigten beigetragen. „Die langen Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen sind ebenfalls ein langfristiger Treiber für die Gesamtkrankenstände. So sind in den letzten zehn Jahren die Ausfalltage wegen psychischer Erkrankungen um 43 Prozent gestiegen“, erläuterte der WIdO-Geschäftsführer.

Durchschnittlich fehlten Beschäftigte mit einer psychischen Erkrankung dem Fehlzeitenreport zufolge rund 28,5 Tage pro Erkrankungsfall. Bei Atemwegserkrankungen lag der Wert bei durchschnittlich 5,9 Tagen.

Die Auswertung des WIdO zur Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes und arbeitsbezogener Belastungen hat ein positives Bild ergeben: „Nachdem die Befragungen der Beschäftigten in den Pandemiejahren deutlich höhere Werte insbesondere bei den psychischen Belastungen gezeigt hatten, liegen die Werte für Themen wie Erschöpfung, Wut oder Niedergeschlagenheit jetzt wieder auf dem Niveau wie vor der Pandemie“, erklärte Schröder.

Auch eine Umfrage zu kognitiven Irritationen ist demnach zu positiven Ergebnissen gekommen. Der Anteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen es eigenen Angaben zufolge schwerfällt, nach der Arbeit abzuschalten, fällt in diesem Jahr mit rund 18 Prozent niedriger aus als im Jahr 2022. Zu diesem Zeitpunkt hatten diese Aussage noch rund 31 Prozent bejaht.

„Auch der Anteil derer, die außerhalb der Arbeitszeit an Schwierigkeiten bei der Arbeit denken, ist gesunken – von 40 Prozent im Jahr 2022 auf 25 Prozent in diesem Jahr“, so Schröder.

Künstliche Intelligenz und mentale Belastungen

Neben den aktuellen Fehlzeiten beleuchtet der Report auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt und deren Einfluss auf die Gesundheit von Beschäftigten. Einer Umfrage der AOK zufolge gehört KI bei mehr als einem Drittel bereits zum Arbeitsalltag, bei rund zehn Prozent ist der Einsatz geplant, bei 15 Prozent wird darüber diskutiert.

„Oft beschränkt sich die Diskussion der Implikationen der KI auf die Produktivitäts- und Performanceeffekte“, sagte Rahild Neuburger Leiterin der Forschungsstelle für Information, Organisation und Management an der LMU München und Autorin des Fehlzeitenreports.

„Dabei gerät mitunter in den Hintergrund, dass KI – als neuartiges Element im Arbeitssystem – die mentale und physische Gesundheit erheblich beeinflussen kann“, sagte sie. Neben positiven Effekten wie Zeitersparnis, dem Wegfall von Routinetätigkeiten oder der Reduktion körperlich belastender Tätigkeiten könnten durch den Einsatz von KI auch Ängste entstehen.

Etwa vor der Substitution des eigenen Jobs durch KI oder Kollegen, die mit KI besser umgehen können oder Ängste vor Überforderung. „Auch wahrgenommene erhöhte Anforderungen, eine spürbare Arbeitsverdichtung, Kontrollverlust oder empfundene Entfremdung und Isolation erhöhen das Risiko mentaler Belastungen“, so Neuburger.

Insgesamt zeigt der neue Fehlzeitenreport, dass sich Beschäftigte bislang eher wenig Sorgen über den Einsatz von KI an ihrem Arbeitsplatz machen. Demnach gaben rund fünf Prozent an, voll und ganz oder eher besorgt zu sein, dass KI-Tools in den nächsten fünf Jahren ihren derzeitigen Arbeitsplatz ersetzen könnten. Ein Viertel zeigt sich eher nicht besorgt, zwei Drittel sind ganz und gar nicht besorgt. Am höchsten sind die Sorgen bei Beschäftigten in der Wissenschaft.

Wesentlich für die Vermeidung von negativen Effekten, die langfristig durch den Einsatz von KI entstehen könnten, ist Neuburger zufolge die Rolle der Führungskräfte. „Der gezielte Einsatz von KI-Tools zur eigenen Unterstützung der Führungskräfte und zur Handhabung mentaler Belastungen der Beschäftigten kann eine zentrale Stellschraube sein“, sagte sie.

KI-Anwendungen könnten dabei unterstützen, erste Anzeichen von Überarbeitung, Arbeitsverdichtung oder Burnout zu erkennen. Denkbar ist Neuburger zufolge auch der Einsatz von Chatbots zur psychosozialen Unterstützung, eine KI-basierte Erstellung von Gesundheitsplänen und der Einsatz KI-unterstützter Schulungsprogramme zur Förderung von Resilienz, Stressbewältigung und Achtsamkeit.

Wichtig sei es, Mitarbeitende beim Einsatz von KI von Anfang an mit einzubeziehen und den Kompetenzaufbau zu unterstützen, sagte Neuburger.

„Ein Erfolgsgarant könnte darin bestehen, Beschäftigte stärker zu beteiligen“, betonte auch Schröder. „Damit können Innovationen im Unternehmen freigesetzt werden, Verunsicherungen vermieden werden und letztlich gesunde und leistungsfähige Beschäftigte dauerhaft an das Unternehmen gebunden werden“.

„Künstliche Intelligenz bietet auch interessante Möglichkeiten zur Unterstützung der Betrieblichen Gesundheitsförderung“, betonte die AOK-Vorstandsvorsitzende Reimann. Es komme darauf an, den Einsatz von KI in der Arbeitswelt so zu gestalten, dass sowohl Unternehmen als auch Mitarbeitende bestmöglich profitieren.

nfs

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