Medizin

Fetale EKG-Analyse ohne Vorteile in der Geburtshilfe

  • Freitag, 14. August 2015

Houston – Die Integration einer fetalen ST-Analyse in die Kardiotokographie, die norma­lerweise nur die fetale Herzfrequenz registriert, hat in einer US-Studie im New England Journal of Medicine (2015; 373: 632-641) keinen Einfluss auf den Ausgang der Geburt gehabt.

Die schwedische Firma Neoventa bietet seit einem Jahrzehnt in den USA und in Europa ein Gerät zur fetalen ST-Analyse an. Dabei wird unter der Geburt auf dem Kopf des Feten eine EKG-Elektrode befestigt, die Veränderungen der ST-Strecke registriert. Die Rationale ist, dass eine fetale Azidose zu einer ST-Strecken-Hebung und einer erhöhten T-Wellenamplitude führt.

Zwei in den neunziger Jahren in Schweden und England durchgeführte Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die fetale ST-Analyse tatsächlich Vorteile bietet. Es folgten jedoch mehrere Negativstudien und die Cochrane Collaboration kam zuletzt auf der Basis von sechs randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt 16.295 Frauen zu dem Ergebnis, dass die fetale ST-Analyse zwar die Zahl der fetalen Blutgasanalysen um 39 Prozent (Relatives Risiko RR 0,61; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,41-0,91) senkt und die Zahl der instrumentalen vaginalen Entbindungen um 11 Prozent (RR 0,89; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,81 bis 0,98) geringer ist. In den „harten“ Endpunkten, etwa der Zahl der Kaiserschnitte, der Zahl der Babys mit schwerer metabolischer Azidose bei der Geburt oder einem Basendefizit größer als 12 mmol/l oder der Zahl der Babys mit neonataler Enzephalopathie gab es dagegen nur tendenzielle Vorteile.

Nach einer Pilotphase, in der die Kliniken sich mit dem Gerät vertraut machen konnten, wurden an 26 Kliniken insgesamt 11.108 Frauen mit unkomplizierten Einzelschwanger­schaften und einer Geburt um den errechneten Termin herum auf zwei Gruppen randomisiert. In beiden Gruppen wurde unter der Geburt eine Elektrode auf dem Kopf des Feten befestigt, doch bei der Hälfte der Frauen wurden die Ergebnisse der ST-Analyse den Geburtshelfern nicht mitgeteilt.

Sie erhielten wie beim konventionellen Monitoring nur Informationen über die Herzfre­quenz. Der primäre Endpunkt war ein Composite aus intrapartalem fetalem Tod, einem Neugeborenen-Tod, einem 5-Minuten-Apgar-Score von 3 oder weniger, Krampfanfälle des Neugeborenen, ein pH-Wert von 7,05 oder weniger im Nabelschnurblut mit einem Basendefizit von 12 mmol/l oder mehr, eine Intubation des Neugeboren oder eine neonatale Enzephalopathie. Die Entscheidung zu einer fetalen Blutgasanalyse gehörte nicht dazu. 

Wie Michael Belfort vom Baylor College of Medicine in Houston und Mitarbeiter jetzt mitteilen, trat der primäre Endpunkt im Arm mit fetaler ST-Analyse bei 52 Feten/Neu­geborenen (0,9 Prozent) auf, während es in der Kontrollgruppe nur 40 Feten/Neu­geborene (0,7 Prozent) waren. Dies ergibt eine tendenzielle Verschlechterung unter der fetalen ST-Analyse. Das relative Risiko betrug 1,31 mit einem 95-Prozent-Konfi­denzintervall von 0,87 bis 1,98.

Damit wäre die ST-Analyse auch im günstigsten Fall, dem unteren Ende des 95-Prozent-Konfidenzintervalls, nur um 13 Prozent besser. Lediglich in einem Endpunkt, einem 5-Minuten-Apgar-Score von 3 oder weniger, erzielte die fetale ST-Analyse einen Vorteil. Dieser Endpunkt trat nur bei 0,1 Prozent gegenüber 0,3 Prozent in der Kontrollgruppe auf. Es gab keine Unterschiede in der Rate der Schnittentbindungen oder der instrumentellen Entbindungen, so dass die ST-Analyse auch keinen Einfluss auf die Art der Entbindung hat.

Für die US-Forscher gibt es deshalb keinen Grund, den Apparate-Aufwand in der Geburtshilfe zu erhöhen und Geräte zur fetalen ST-Analyse anzuschaffen. Auch die deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt die fetale ST-Analyse in ihrer jüngsten Leitlinie nicht.

rme

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