Flutkatastrophe/Sumatra: Wenn Ärzte spontan helfen

Unglücke wie der Tsunami in Südostasien lassen bei medizinischem Personal die Erkenntnis reifen, dass bei einer Katastrophe derartigen Ausmaßes jede Hilfe zählt. Allerdings kann der einzelne Arzt seine Hilfsaktivitäten kaum verwirklichen, wenn er nicht bereits einer größeren Hilfsorganisation angehört, wie beispielsweise dem Roten Kreuz, dem Malteser Hilfswerk oder Ärzte ohne Grenzen. Eine kurzfristige Einbindung in das Räderwerk der Hilfsorganisationen ist, trotz der dringenden Notwendigkeit schneller Hilfe in der betroffenen Region, meist nicht gewünscht (2) – und vielen Erfahrungsberichten zufolge auch nicht sinnvoll. Gleichwohl haben sich viele Ärzte aus aller Welt schon bald nach der Nachricht über die Flutkatastrophe auf den Weg gemacht, um erste Hilfe zu leisten oder in den betroffenen Krankenhäusern zu arbeiten.
Der Flug nach Sumatra mit einem Koffer voller Notfallmedikamente ist schnell realisierbar. Aber schon in Medan im Norden Sumatras ergeht es dem allein reisenden Arzt wie vielen der dort gelagerten Hilfsgüter: Der Weitertransport verzögert sich. Ein freundlicher Mitarbeiter, der die Transportkapazitäten der Militärflugzeuge koordiniert, erteilt über Telefon Ratschläge für die Reiseplanung. Die Militärtransporter aus Frankreich, Australien, Deutschland, USA, Turkmenistan und anderen Ländern sind allerdings mit der Beförderung von Soldaten und technischen Geräten ausgelastet. Die normalen Linienflüge nach Banda Aceh, der am schlimmsten betroffenen Region im Norden, sind von Indonesiern, die ihre Familie suchen, von Journalisten und Hilfsorganisationen ebenfalls auf Tage ausgebucht. Wenn man am Flughafen einen Arztausweis vorlegen kann, erhält man zumindest einen „blauen Pass“, der den Reisenden als „Helfer“ ausweist.
Es gelingt aber mithilfe einheimischer Taxifahrer, in einem nahe gelegenen Reisebüro schon für denselben Tag ein Ticket nach Blangpidie zu erwerben. Die Hilfsbereitschaft der Indonesier ist groß, wenn sie erfahren, dass man als Helfer in die Krisenregion unterwegs ist. Von der kleinen Landepiste in Blangpidie dauert die Taxifahrt nach Meulaboh etwa drei Stunden. Die ehemals blühende Kleinstadt an der Westküste mit ihren schönen Strandvillen ist stark zerstört. Einwohner berichten, dass am Tag der Flutwelle das Wasser für etwa 15 Minuten vom Strand verschwunden sei. Die Menschen seien hinaus gelaufen, um die zappelnden Fische zu fangen. Dann sei eine sieben Meter hohe Wasserwand gekommen, die wie ein Bulldozer alles zertrümmert habe. Die ersten zwanzig Häuserreihen, schön konstruierte Bungalows und zweistöckige Häuser, wurden komplett zerschlagen, nur die Betonfundamente und das in kleine Stücke zerbrochene Mauerwerk sind übrig geblieben.
Etwa einen Kilometer landeinwärts liegen die Balken von Dachstühlen, Holzreste, Wellbleche und Autos. Auch dort sind die Häuser stark beschädigt oder eingestürzt. Noch weiter in Richtung Stadtmitte liegen große, hölzerne Fischkutter, die wie Torpedos Häuser zerstört haben. In manchen Straßen stehen die Betonhäuser noch, aber das Erdgeschoss ist ausgeschwemmt – oder mit Holz, Möbeln, zerborstenen Küchengeräten, Autos und anderen Zivilisationsgütern angefüllt.
Meulaboh ist eine Geisterstadt ohne Strom und Wasser, und durch den meterhoch liegenden Unrat unbewohnbar. Trotzdem sieht man vor einzelnen Häusern kleine, qualmende Feuer, wo der gröbste Müll verbrannt wird. Von den ehemals 22000 Einwohnern sind 10000 vermisst, etwa 3000 begraben. Täglich fahren Lastwagen mit freiwilligen Helfern des indonesischen Roten Kreuzes durch die Stadt und sammeln die Toten ein. Im Schnitt sind es 300 pro Tag. Der Leiter des indonesischen Roten Kreuzes in Meulaboh nimmt an, dass noch in zwei Monaten Tote gefunden werden. Nebenbei erzählt er, dass er fünf Familienmitglieder (Mutter, Schwiegermutter, Cousine, Schwester und Nichte) verloren hat. „But I have my job”, lächelt er, “so I am lucky”. Die umstehenden indonesischen Rotkreuzhelfer nicken und lächeln ebenfalls.
Das Kran
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