Früher Stress verändert die Genexpression langfristig

Icahn School of Medicine at Mount SinaiScience10.1126/science.aan4491
New York – Stress in einer frühen Lebensphase könnte die Genexpression auf epigenetischer Ebene verändern und das Gehirn langfristig anfällig für depressive Erkrankungen machen. Wissenschaftler um Catherine Peña schließen dies aus Versuchen, die sie an Mäusen durchführten. Die Forscher der
(2017; doi:
publizierten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift
).
Die genetische Prädisposition ist nicht nur bei somatischen Erkrankungen von Bedeutung, sondern auch bei psychiatrischen. Dabei ist jedoch nicht nur die Abfolge der Basenpaare entscheidend, sondern auch die Art, wie die codierenden Gene abgelesen und anschließend exprimiert werden. Diese Expressionsmodi sind in aufeinanderfolgenden Zellgenerationen in der Regel stabil. Diese Änderung der Genexpression, die in der Regel durch Transkriptionsfaktoren und Histonmodifikationen reguliert wird, ist Gegenstand der Epigenetik.
Die Forscher berichten, dass andere Studien bereits Hinweise dafür zeigten, dass früher Stress Menschen und Tiere anfälliger für spätere Stressfaktoren und psychische Erkrankungen macht. Der neurobiologische Hintergrund dieser Beobachtung sei aber noch wenig verstanden.
Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler die Rolle des Gens Orthodenticle Homeobox 2 (Otx2). Das Gen steuert als Transkriptionsfaktor die Expression von Genen, die in die Entwicklung des Sensoriums sowie des Mittel- und Vorderhirns eingebunden sind. Es ist daher insbesondere in der Phase der embryonalen Entwicklung und des postnatalen zentralnervösen Reifungsprozesses aktiv.
Die Forscher setzten junge Mäuse entweder zwischen dem zweiten und zwölften oder zwischen dem zehnten und 20. Tag postnatalem Stress aus. Sie verglichen die Tiere mit Mäusen, die diesem Stress nicht ausgesetzt wurden. Der Stress wurde durch eine Trennung vom Muttertier getriggert. Es zeigte sich, dass Mäuse, die zwischen dem zehnten und 20. Tag Stress erlebten, im Erwachsenenalter wesentlich sensibler für externen Stress wurden. Diese Mäuse entwickelt häufiger ein depressionsartiges Verhalten, wenn man sie zusätzlichem Stress aussetzte.
In der Transkriptomanalyse zeigte sich, dass der spätere postnatale Stress die Expression von Otx2 in der Area tegmentalis ventralis (VTA) herabsetzte. Die VTA ist eingebunden in die Verarbeitung von Emotionen, den motorischen und psychischen Antrieb, sowie die Regulierung des Belohnungssystem. Zwar erholten sich die Expressionslevel von Otx2 im Erwachsenenalter, jedoch hatte sich durch den Stress in der VTA die Expression von 225 Genen langfristig verändert.
Die Ergebnisse ließen vermuten, dass der Otx2-Mangel in der postnatalen Phase die VTA in einen depressionsbegünstigenden Zustand versetzt hat. Durch eine künstliche Unterdrückung oder Steigerung der Otx2-Expression konnten die Forscher den kausalen Mechanismus zwischen der niedrigen Otx2-Expression und der Anfälligkeit für Stress belegen.
Die Wissenschaftler sehen ihre Ergebnisse als Beleg dafür an, dass Stress in einer sensiblen Phase während der Kindheit Mäuse langfristig anfällig für Stress im Erwachsenenalter machen kann. Möglicherweise könnte das nachgewiesene Modell auch auf den Menschen übertragbar sein, was jedoch im Rahmen von Studien geklärt werden müsse, hieß es aus der Arbeitsgruppe.
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