Gastarzt werden ist nicht schwer, Gastarzt sein umso mehr
Mir fiel neulich auf, wie viele Gastärzte hier in der Neurochirurgie arbeiten. So deutlich habe ich das auf keiner anderen Station erlebt, auf der ich bislang eingeteilt war. In der Allgemeinchirurgie gab es das überhaupt nicht und in der Unfallchirurgie sind mir zwei Gastärzte begegnet, einer aus Kamerun und einer aus einem asiatischen Land. Diese haben sich gerne mit mir unterhalten, auf Englisch lief die Verständigung fast problemlos.
In der Neurochirurgie sind es sogar sieben Gastärzte: sie sprechen kaum Englisch und nur wenig Deutsch. Aus Gesprächen habe ich erfahren, dass sie aus den arabischen Ländern stammen und hier in Deutschland über eine Art Stipendium angestellt sind. Das heißt, jemand aus ihrer Heimat schickt ihnen Geld, damit sie hier Fuß fassen können, die Klinik hier braucht also nichts zu zahlen.
Ich habe in einem Bericht über ausländische Fachkräfte gelesen, dass die Arbeit im Ausland selten durch mangelnde Fachkenntnis Probleme bereitet, sondern meistens durch mangelnde Sprachkenntnis. Durchaus nachvollziehbar, finde ich. In der Unfallchirurgie waren die Gastärzte eher als Zuschauer, allerdings bei Operationen auch durchaus als Assistenten eingeplant. Bei meinen Famulaturen habe ich aber auch schon viele ausländische Ärzte kennengelernt, die sehr gute Arbeit leisteten und hoch motiviert waren, um einen guten Eindruck zu machen. Und das, obwohl die deutsche Sprache den Ruf hat, dass sie schwer erlernbar sei und viel Übung brauche, um flüssig gesprochen zu werden.
Heute Morgen hatte unser Chefarzt sehr schlechte Laune. In der üblichen Frühbesprechung werden die Entlassungsberichte der Patienten vor versammelter Mannschaft abgesegnet oder auch kritisiert. Neulinge wie mich erinnert das ein bisschen an den Pranger im Mittelalter. Einer der Arztberichte war wohl besonders schlecht. Es war einer der Gastärzte, der ihn geschrieben hatte.
Der Chefarzt nahm die ganze Akte in die Hand, um sie auf Vollständigkeit zu untersuchen und nach längerem Blättern zog er ein Blatt heraus, den Verlaufsbericht.
Er las nicht viel vor, weil nicht viel zu lesen darauf stand, aber er regte sich umso mehr auf, weil nicht jeder Tag dokumentiert war und wenn, dann nur unzureichend. Beinahe fünf Minuten musste der Gastarzt die Standpauke ertragen bis die Wogen wieder geglättet waren. Ich frage mich, was das bringen soll. Ich würde mich für solche Chefs sicher nicht noch mehr ins Zeug legen, wenn ich die Aussicht auf solche Blamagen hätte.
In meinem letzten Tertial werde ich auch ins Ausland gehen, nach Spanien. Ich bin gespannt, wie es dort für mich wird, wo ich dann selbst mit der Sprachbarriere zu kämpfen habe.
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