Ärzteschaft

Gastroenterologen kritisieren Studie zu Magensäureblockern und Allergien

  • Montag, 5. August 2019
peterschreiber.media - stock.adobe.com
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Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoff­​wechselkrankheiten (DGVS) sieht trotz einer jüngst in der Fachzeitschrift Nature Communicationsveröffentlichte Arbeit keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Magensäureblockern und der Entwicklung von Allergien. Nach Ansicht von Experten der DGVS ist das Studiendesign nicht dafür geeignet, die Frage zu beantworten, ob Säurehemmer das Entstehen von Allergien begünstigen.

„Einzelne Untersuchungen mit einem sehr eingegrenzten wissenschaftlichen Fokus sollten die aus zahlreichen wissenschaftlichen Studien abgeleitete Evidenz, die heute Grundlage für medizinisches Handeln ist, nicht automatisch infrage stellen. Sonst gelangt man schnell in eine Grauzone, in der eine verlässliche Patientenversorgung schwierig werden kann“, sagte Christian Trautwein, Direktor der Medizinischen Klinik III der RWTH Aachen und Mediensprecher der DGVS.

Die kritisierte Studie ergab, dass Kassenpatienten in Österreich, denen Magensäureblocker oder Schleim­haut­protektiva verschrieben wurden, später doppelt so häufig wie andere Kassenpatienten Medikamente zur Behandlung von Allergien erhielten. Die bevöl­kerungsbasierte Studie soll eine Hypothese stützen, nach der die Hemmung der Magenfunktion die Allergiebereitschaft erhöht.

Der DGVS-Experte Herbert Koop, Arzt für Innere Medizin und Gastroenterologie und ehemaliger Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie am HELIOS-Klinikum Berlin-Buch, fasst die Kritikpunkte der Fachgesellschaft an der Studie zusammen:

Zum einen wurden darin unterschiedliche Pharmaka untersucht – Sucralfate, die praktisch ohne Einfluss auf den pH-Wert im Magen sind, H2-Blocker, die als mäßig aktive Säurehemmer einzustufen sind und Protonenpumpeninhibitoren (PPI) als starke Säurehemmer. Laut Studie erhöhen alle Substanzen das Risiko, eine Allergie zu entwickeln. „Somit ergibt sich keine Korrelation zum Grad der Säurehemmung. Daher ist fragwürdig, ob die Säurehemmung überhaupt im Zusammenhang mit der Allergieentstehung zu sehen ist“, so Koop.

Zum anderen stütze sich die Analyse mit Blick auf die Allergieentstehung nur auf die Verschreibung von Medikamenten, die mutmaßlich das Vorhandensein einer Allergie anzeigen sollen. Daten zu Allergie-Diagnosen selbst lagen nicht vor. Auch das ist nach Ansicht des Experten ein Schwachpunkt. Grundsätzlich sei die Tatsache, dass ein Medikament verschrieben worden sei, nicht geeignet, um daraus die Ursache für weitere, neu aufgetretene Krankheiten wie hier Allergien abzuleiten.

Keine zusätzlichen Informationen über die Patienten

Auch sei in der Studie nicht hinreichend unterschieden worden, um welche Allergien es überhaupt ging. Außerdem fehlt laut Koop ein weiterer unverzichtbarer Aspekt: Die Autoren hätten keine zusätzlichen Informationen über die Patienten berücksichtigt. „Es ist wissenschaftlich gesichert, dass sich Patienten, die beispielsweise einen PPI einnehmen, deutlich von anderen Patienten unterscheiden: Sie sind in aller Regel älter, haben mehr Begleiterkrankungen, nehmen mehr Medikamente. Dieser Einfluss konnte in der aktuell veröffentlichten Studie nicht evaluiert werden, weil die Untersucher offensichtlich keinen Zugang zu solch wichtigen Daten bezüglich der Medikation – oder besser noch zu Diagnosedaten – hatten“, kritisierte er. „Die Studie kann aufgrund ihres Designs und der Datenlage keine Aussage treffen, ob Säurehemmung das Entstehen von Allergien begünstigt“, lautet daher das Fazit der Fachgesellschaft.

hil

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