Gendefekt schützt vor Typ 2-Diabetes

Cambridge – Der Ausfall eines Gens, das in den Beta-Zellen am Transport von Insulin beteiligt ist, hat in einer Studie in Nature Genetics (2014; doi: 10.1038/ng.2915) überraschenderweise das Risiko auf einen Typ 2-Diabetes um zwei Drittel gesenkt. Zwei Pharmafirmen wollen die Entdeckung für eine neue Diabetestherapie nutzen.
Nicht alle Menschen, die sich ungesund ernähren, adipös sind und sich wenig bewegen, entwickeln im Alter ein metabolisches Syndrom und einen Typ 2-Diabetes. Andererseits kann die Erkrankung auch schlanke Menschen ohne erkennbare Risikofaktoren treffen. Der Grund wird in Genen vermutet, die entweder vor der Erkrankung schützen oder auf sie prädisponieren.
Das Team um David Altshuler vom Broad Institute in Cambridge Massachusetts hat das Erbgut von 758 älteren Menschen mit beiden Extremen des Diabetesrisikos untersucht. Dabei beschränkten sich die Forscher auf Genabschnitte in der Nähe von sogenannten Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP), die in früheren Studien mit dem Diabetesrisiko assoziiert waren. SNP sind nur zufällige Markierungspunkte auf dem Erbgut. Sie weisen auf genetische Faktoren hin, in aller Regel sind es aber keine „Volltreffer“ von Genmutationen, die die Erkrankung in die eine oder andere Richtung beeinflussen.
An der 2009 begonnenen Untersuchung hatten sich auch Wissenschaftler des Pharmakonzerns Pfizer beteiligt, die auf neue Therapieansätze des Diabetes hoffen. Als Glücksfall gelten dabei Loss-of-Function-Mutationen mit protektiver Wirkung: Die Auswirkungen von Loss-of-Function-Mutationen könnten dann durch Wirkstoffe imitiert werden. Außerdem bietet die Aufklärung der pathogenetischen Stoffwechselwege die Möglichkeit, an der einen oder anderen Stelle, beispielsweise durch Blockade eines Enzyms oder eines Rezeptors, in das Geschehen einzugreifen.
Zunächst entdeckten die Forscher bei zwei älteren adipösen Teilnehmern, die nicht am Typ 2-Diabetes erkrankt waren, eine Mutation im Gen SLC30A8. Das Gen enthält die Erbinformation für das Transportprotein ZnT8, das Zink in die Beta-Zelle schleust. Zink wird dort zur Lagerung von Insulin benötigt. Wie sich der Ausfall von ZnT8 auf die Pathogenese des Typ 2-Diabetes auswirkt, ist unklar.
Sicher scheint jedoch, dass die Mutationen in ZSLC30A8 zu einem Ausfall der ZnT8-Produktion führen. Bei der gezielten Analyse von 150.000 Personen, unter anderem aus der Datenbank der Firma deCode Genetics aus Reykjavik, wurden weitere Loss-of-Function-Mutationen gefunden, die ebenfalls mit einem Schutz vor einem Typ 2-Diabetes verbunden waren. Nach Berechnungen von Altshuler haben die Träger von Loss-of-Function-Mutationen bei einer ungesunden Lebensweise ein um 65 Prozent vermindertes Risiko auf einen Typ 2-Diabetes.
Dies dürfte ZnT8 in den nächsten Jahren zum Angriffspunkt der Medikamentenentwicklung machen. Die Konzerne Pfizer und Amgen (die deCode im Dezember 2012 übernommen hat) kündigten den Medien gegenüber bereits entsprechende Forschungsprojekte an. Mit einem neuen Antidiabetikum sei jedoch frühestens in 10 bis 20 Jahren zurechnen. Voraussetzung ist, dass ein geeigneter Wirkstoff gefunden wird, der dann erfolgreich die präklinische und klinischen Entwicklungen durchläuft.
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