Gendefekte senken Triglyzeride und koronares Risiko

Boston/Kopenhagen – Mutationen im Gen für das Apolipoprotein C-III (APOC3), das Bestandteil des Triglyzeridstoffwechsels ist, waren in zwei Kohortenstudien mit einem deutlichen Rückgang des Herzinfarktrisikos verbunden. Die Publikationen im New England Journal of Medicine (NEJM) bestätigen die Bedeutung von Neutralfetten als kardiovaskuläre Risikofaktoren und weisen zugleich auf einen neuen medikamentösen Ansatz zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin, den eine US-Firma bereits verfolgt.
Das atherogene Potenzial der Hypertriglyzeridämie ist lange Zeit unterschätzt worden. Erst die Copenhagen City Heart Study hatte 2007 gezeigt, dass hohe postprandiale Triglyzeridspiegel ein unabhängiger Risikofaktor für Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt oder Tod sind (JAMA 2007; 298: 299-308). Dies hat die Suche nach Genvarianten veranlasst, die mit dem Triglyzerid auch das Herzinfarktrisiko beeinflussen könnten. Kurze Zeit später entdeckten US-Forscher in der abgeschieden lebenden (und damit für genetische Varianten anfälligen) religiösen Gruppe der Old Order Amish einen Gendefekt im Apolipoprotein C-III (APOC3), der zu niedrigen Triglyzerid-Werten führt und deren Träger auch im Alter kaum Anzeichen einer Koronarsklerose aufwiesen (Science 2008; 322: 1702-1705).
Das Exome Sequencing Project des US-National Institute entdeckte jetzt in einer Gruppe von 3.734 US-Amerikanern afrikanischer und europäischer Herkunft weitere Defekte im APOC3-Gen. Alle hatten Missense- oder Nonsense-Mutationen oder Spleißfehler, die den Ausfall von APOC3 zur Folge hatten. Bei den heterozygoten Merkmalsträgern war die Konzentration von APOC3 im Blut um 46 Prozent niedriger als bei den Nichtmutationsträgern (NEJM 2014; doi: 10.1056/NEJMoa1307095).
Das Protein APOC3 ist in den Stoffwechsel der Lipoproteine eingebunden, die für den Transport von Fetten im Blut zuständig sind. Durch die Hemmung des Enzyms Lipoproteinlipase erhöht es die Konzentration von triglyzeridhaltigen Lipoproteinen, die als atherogen eingestuft werden. Außerdem hemmt es den Abbau von High-Density-Lipoproteinen (HDL), was ebenfalls die Atherosklerose fördert. Der Ausfall von APOC3 führte deshalb zu einem Abfall der Triglyzeridwerte um 39 Prozent. Die Genträger hatten häufig Triglyzeridwerte von 80 bis 90 mg/dl.
Im nächsten Schritt ließ das Team um Sekar Kathiresan vom Massachusetts General Hospital Blutproben von 110.970 Menschen aus insgesamt 15 Kohorten untersuchen. Dazu gehörten die bekannten Kohorten der Women’s Health Initiative und der Framingham-Studie, aber auch eine Kohorte des Helmholtz Zentrums München. Die Analyse ergab, dass die 498 Träger einer Mutation im APOC3-Gen zu 40 Prozent seltener als die Nichtträger an einer Koronaren Herzkrankheit litten (Odds Ratio 0,60; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,47-0,75).
Zu einem fast identischen Ergebnis kam Anne Tybjaerg-Hansen von der Universität Kopenhagen, die das Blut von 75.725 Teilnehmern der Copenhagen City Heart Study und der Copenhagen General Population Study auf Mutationen im APOC3-Gen hin untersuchen ließ. Die Genträger hatten laut der Publikation (NEJM 2014; doi: 10.1056/NEJMoa1308027) um 44 Prozent niedrigere Triglyzeridwerte und sie litten zu 41 Prozent seltener an ischämischen Gefäßerkrankungen (Hazard Ratio 0,59; 0,41-0,86) und zu 36 Prozent seltener an einer ischämischen Herzerkrankung (Hazard Ratio 0,64; 0,41-0,99).
Da die Mutationen insgesamt selten sind (1 zu 150 in der US-Genstudie, 1 zu 260 in der dänischen Untersuchung) haben nur wenige Menschen genetisch bedingt niedrige Triglyzeridwerte und den damit verbundenen Schutz vor einer koronaren Herzkrankheit. Die Wirkung der Mutation könnte jedoch auch durch Medikamente nachgestellt werden, die die Bildung von APOC3 hemmen.
Dies ist beispielsweise mit einem Antisense-Molekül möglich, das die Messenger-RNA ausschaltet und damit die Umsetzung des Gens in ein Protein verhindert. Die US-Firma Isis Pharmaceuticals hat im letzten Jahr in Circulation Research (2013; 112: 1479-90) neben tierexperimentellen Befunden erste klinische Ergebnisse mit einem derartigen Wirkstoff vorgestellt. Die Triglyzeridwerte konnten teilweise deutlich gesenkt werden.
Ob sich dies, ähnlich wie bei den Cholesterin-senkenden Statinen, günstig auf die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirkt, könnte in einigen Jahren Gegenstand von größeren klinischen Studien werden, sofern sich der Wirkstoff (oder auch andere) als sicher erweisen sollte. Für die heute verfügbaren Triglyzeridsenker (Fibrate oder auch Fischölkapseln) konnte eine kardioprotektive Wirkung bisher in Studien nicht nachgewiesen werden. Die Ergebnisse zweier Studien (ACCORD und ORIGIN) verliefen negativ.
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