Medizin

Genomstudie: Thalidomid könnte bei Rest­less-Legs-Syndrom wirken

  • Sonntag, 15. Oktober 2017

München – Eine genomweite Assoziationsstudie hat 19 Genvarianten gefunden, die das Risiko auf ein Restless-Legs-Syndrom erhöhen. Die Studie in Lancet Neurology (2017; 11: 898-907) erklärt mehr als die Hälfte des familiären Risikos und weist auf die Wirksamkeit von Thalidomid hin, das ursprünglich als Hypnotikum für Schwangere entwickelt wurde, jedoch wegen seiner hohen Teratogenität den größten Skandal der modernen Arzneimittelgeschichte auslöste.

Fast jeder zehnte Europäer erkrankt im Verlauf des Lebens am Restless-Legs-Syndrom. Die Betroffenen leiden infolge von Missempfindungen und einem imperativen Bewegungsdrang unter Schlafstörungen, die die mentale und kognitive Gesundheit gefährden. 

Etwa die Hälfte der Erkrankungen tritt familiär gehäuft auf. Die Erkrankung war deshalb bereits Gegenstand von genomweiten Assoziationsstudien. Sie haben Genvarianten an sechs Stellen des Erbguts gefunden, die bei Erkrankten häufiger auftreten als bei Gesunden.

Ein internationales Forscherteam um Juliane Winkelmann vom Institut für Neurogenomik am Helmholtz Zentrum München hat jetzt die sechs bekannten Loci bestätigt und darüber hinaus dreizehn weitere gefunden. Sie erklärten 60 Prozent der Heritabilität, die in den untersuchten Kohorten nur bei etwa 20 Prozent lag.

Die stärkste Assoziation wurde mit einer Variante im MEIS1-Gen gefunden, das eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Gehirns spielt. Bemerkenswert war auch eine starke Assoziation in der Nähe des Gens CRBN. Es enthält die genetische Information für das Protein Cereblon, das im Gehirn mit dem MEIS1-Homologen MEIS2 interagiert. 

Der Wirkstoff Thalidomid hat hier eine modulierende Wirkung, was laut Winkelmann auf eine mögliche therapeutische Wirkung hinweist. Sie erinnert daran, das Thalidomid seinerzeit als Hypnotikum entwickelt wurde. Nach dem Contergan-Skandal wurde es Jahrzehnte lang nicht mehr verwendet. Seit einiger Zeit wird es erfolgreich zur Behandlung der Lepra und bei Krebserkrankungen wie dem Multiplen Myelom eingesetzt. 

Gegen einen Einsatz bei älteren Patienten, einschließlich Frauen nach der Menopause, dürfte es heute keine prinzipiellen Einwände geben. Allerdings lässt sich aus den Ergebnissen einer genomweiten Assoziationsstudie nicht ableiten, dass das Mittel beim Restless-Legs-Syndrom effektiv und sicher wäre. Hierzu müssten randomisierte klinische Studien durchgeführt werden, für die die jetzige Publikation einen Anstoß geben könnte.

rme

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