Politik

Gerechtigkeit am Arbeitsplatz beeinflusst die Gesundheit

  • Dienstag, 29. September 2020
/joyfotoliakid, stockadobecom
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Berlin – Ein gerechter Führungsstil führt bei Beschäftigten zu weniger Krankschreibun­gen und reduziert psychische wie körperliche Beschwerden. Das ist die zentrale Botschaft des neuen Fehlzeitenreports des WIdO, des Wissenschaftlichen Instituts der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), der heute vorgestellt wurde.

„Das Handeln von Führungskräften und ihr Umgang mit Beschäftigten beeinflussen das Gerechtigkeitsempfinden der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit auch deren gesundheitliche Verfassung“, sagte der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch.

Dem Report zufolge waren diejenigen, die ihre Vorgesetzten als gerecht empfanden, durchschnittlich 12,7 Tage pro Jahr krankgeschrieben. Dagegen waren es bei Angestellten eines unfair empfundenen Arbeitgebers im Schnitt 15 Tage. Auch gaben Letztere an, häufiger trotz Krankschreibung zur Arbeit zu gehen: rund fünf Tage im Jahr im Vergleich zu zwei Tagen bei zufriedeneren Arbeitnehmern.

„Gehäufte Fehlzeiten sind Ausdruck von Organisationsversagen“, sagte dazu Bernhard Badura, Mitautor des Reports und Professor an der Fakultät für Gesundheitswissenschaf­ten der Universität Bielefeld. Dies sei auch auf veraltete Führungsideale und -techniken zurückzuführen. Moderne Führungskräfte sollten daher stärker ihre sozialen Kompeten­zen fortbilden.

Ungerechtigkeit macht krank

Unter den 2.500 befragten Beschäftigten im Alter von 18 bis 65 Jahren traten emotionale, psychosomatische aber auch körperliche Beeinträchtigungen allesamt häufiger auf, wenn sie ihre Führungskräfte als ungerecht bewerteten. Im Mittel gaben 12,4 Prozent der Un­zu­friedenen solche Beschwerden an, während es bei den Zufriedenen 3,3 Prozent waren.

„Die gesundheitlichen Belastungen bei Beschäftigten mit einer als fair empfundenen Führungskraft sind damit nur ein Viertel so hoch wie bei den Beschäftigten mit einer als unfair empfundenen Führungskraft“, fasste der stellvertretende Geschäftsführer des WIdO, Helmut Schröder, zusammen.

Konkret gab fast jeder vierte Befragte, der seinen Chef als unfair empfindet, an, in den letzten vier Wochen vor der Befragung nahezu ständig verärgert oder wütend gewesen zu sein (23,3 Prozent). Beschäftigte einer „fairen“ Führungskraft empfanden dies in 1,9 Prozent der Fälle.

Ähnlich große Unterschiede zeigten sich beim Thema Lustlosigkeit, die jeder Fünfte be­richtete, der sich am Arbeitsplatz ungerecht behandelt fühlte (21,2 Prozent). Dies gaben nur 4,6 Prozent derer an, die unter fairer Führung arbeiteten.

Auch Erschöpfungsgefühle (19,7 Prozent) und Schlaflosigkeit (18,1 Prozent) zeige sich deutlich öfter bei unfairem Führungsstil. Die Unzufriedenen litten zudem signifikant häufiger an körperlichen Beschwerden: Bei Rücken- und Gelenkschmerzen sowie Atem­wegs- oder Infektionserkrankungen rund doppelt so häufig, bei Kopfschmerzen, Magen-Darm- und Herzleiden knapp dreimal so oft.

Gesundheitspersonal ist häufiger krank

Besonders für die rund 1,6 Millionen Pflegekräfte sei die gesellschaftliche Anerkennung aktuell gestiegen, meinte AOK-Vorstand Litsch. „Die Coronapandemie hat uns wieder ein­mal vor Augen geführt, wie wichtig dieser Berufszweig für unsere Gesellschaft ist“, sagte er. Gleichzeitig seien die Menschen in pflegenden Berufen täglich enormen körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt, was sich in deutlich höheren Fehlzeiten nieder­schlage.

Im vergangenen Jahr fehlten sie im Schnitt 25,3 Tage pro Jahr und damit häufiger als andere Berufsgruppen (im Durchschnitt 19,8 Tage). Die Ursachen seien vielfältig. Insbe­son­dere der Fachkräftemangel sorgt laut Report für hohe Belastungen.

Daher sei die Frage nach gerechter Entlohnung und fairen Arbeitsbedingungen in der Pflege wichtiger denn je: Mit guter Führung könnte man nicht nur das bestehende Per­sonal an das Unternehmen binden, sondern auch Fehlzeiten reduzieren und den Berufs­zweig wieder attraktiver gestalten, betonte Litsch.

Der knapp 800 Seiten umfassende Bericht wird jährlich von Wissenschaftlern des WIdO, der Universität Bielefeld und der Beuth Hochschule für Technik Berlin herausgegeben.

Der AOK-Bericht zeigt darüber hinaus, dass als gerecht eingestufte Führungskräfte die Bin­dung der Beschäftigten an das Unternehmen fördern. So scheinen nicht nur die Be­zahlung, sondern besonders auch Anerkennung, Vertrauen und die gelebte Diskussions­kultur die Treue zum Arbeitgeber zu beeinflussen, heißt es in einer Mitteilung der He­rausgeber.

Doch gerade in diesen Bereichen gebe es in vielen Unternehmen Nachholbedarf: Rund 41 Prozent der Befragten fühlen sich nicht wertgeschätzt. Knapp jeder Zweite empfindet die Konfliktlösung mit seinen Vorgesetzten als ungerecht (46,4 Prozent). Ein Drittel vermisst zudem Rückendeckung durch seinen Arbeitgeber.

jff

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