Ärzteschaft

Gesundheitsämter haben Kontakt­nachverfolgung weitgehend eingestellt

  • Montag, 27. Dezember 2021
Das Gesundheitsamt Mitte führt SORMAS für die professionelle Verwaltung von Infektionsfällen ein. /picture alliance, Britta Pedersen
/picture alliance, Britta Pedersen

Berlin – Ein großer Teil der Gesundheitsämter in Deutschland hat die Kontaktnachverfolgung und Qua­ran­­tä­neansprache bei Coronainfizierten eingestellt. Darauf hat der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) hingewiesen.

„Eine flächendeckende Nachverfolgung findet im Moment fast gar nicht mehr statt“, sagte die BVÖGD-Vorsitzende Ute Teichert, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). „Mehrere Länder haben sogar komplett die Suche nach Kontaktpersonen ausgesetzt, zum Beispiel Baden-Württemberg, Berlin und Hamburg.“

Die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit widerspricht der Darstellung, Berlin gehöre zu den Län­dern, in denen die Gesundheitsämter keine Kontaktnachverfolgung mehr gewährleisten. Dies sei „nicht korrekt“, erklärte eine Sprecherin dem Deutschen Ärzteblatt. Die Berliner Gesundheitsämter leisteten die Kontaktnachverfolgung gemäß den Richtlinien des Robert-Koch-Instituts. In acht Gesundheitsämtern sei zudem die Bundeswehr dafür im Einsatz.

Teichert erklärte, man gehe dort davon aus, dass sich die Menschen selbst informieren würden, was sie bei einem positi­ven Testergebnis oder einem Risikokontakt tun müssen. „Die Frage ist, ob alle das tun“, gab Teichert zu bedenken. „Wegen der vielen positiv getesteten Personen und dem Anstieg der Inziden­zen liegt der Fo­kus jetzt darauf, erst einmal die zahlreichen Coronafälle zu erfassen und zu melden“.

Die Lage sei sehr angespannt, weil die Gesundheitsämter schon lange über dem Limit arbeiten würden. Eine Folge sei die sich verschärfende Personalnot: „Seit Beginn der Pandemie beobachte ich neben der Fluktuation auch eine Flucht des Personals aus den Gesundheitsämtern“, sagte Teichert.

Neben der Arbeitsbelastung liege dies auch an der vergleichsweisen schlechten Bezahlung, so Teichert mit Blick auf die Bezahlung von Ärzten in Krankenhäusern. „Es gibt ein erhebliches Lohngefälle, das die Arbeit im Gesundheitsamt unattraktiv macht.“ Sie forderte daher, die Gesundheitsämter dauerhaft mit mehr gut bezahltem Fachpersonal auszustatten.

Verschlimmert werden könnte der Personalmangel auch durch die Pandemie selbst. „Durch die Omikron-Variante laufen wir in Deutschland auf eine Situation zu, in der die Gesundheitsämter erkranktes Perso­nal irgendwann nicht mehr kompensieren können“, sagte Teichert. Wichtig seien zwar gute Notfallpläne. „Wenn aber beispielsweise 30 Prozent der Belegschaft erkrankt, lässt sich das auch durch Notfallpläne kaum noch ausgleichen“.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen hatte zuletz vor der fehlenden Kontaktnachverfolgung besonders bei der Omikron-Variante gewarnt. „Sie kann sich rasant ausbreiten, ohne dass dies rechtzeitig bemerkt wird“, sagte er dem RND. „Wichtig ist, dass auch die Kontaktpersonen informiert werden und sich testen lassen.“

Wo das nicht geschehe, könnten symptomlose Infizierte die Omikron-Variante unbemerkt weitergeben. Dahmen befürchtete: „Wenn wir nicht frühzeitig bemerken, dass die tatsächlichen Fallzahlen steigen, kann die Politik darauf nicht angemessen reagieren.“

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat bereits davor gewarnt, dass wegen der reduzierten Tests während der Feiertage die tatsächliche Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 nicht in den aktuellen Inzidenzzah­len widergespiegelt werden könnte.

afp/may

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