Gesundheitssystem soll krisenfest werden

Leipzig – Das Gesundheitswesen in Deutschland soll krisenfest gemacht werden. Dazu ermahnte der 129. Deutsche Ärztetag in Leipzig heute Bund, Länder und Kommunen.
Eine Reihe von Anträgen mit dieser Stoßrichtung hat das Ärzteparlament heute beschlossen, darunter einen ausführlichen des Vorstandes der Bundesärztekammer (BÄK). Dieser erhielt 173 Ja-Stimmen, bei viermal Nein und neun Enthaltungen.
Darin wird ein Bündel an erforderlichen Maßnahmen genannt: Es reicht unter anderem von verbesserter Abstimmung für den Krisenfall über Sicherung infrastruktureller Reserven bis hin zum Ausbau der Cybersicherheit und dem Sichern der Arzneimittelversorgung.
In einem ebenfalls beschlossenen Antrag mehrerer Vorstandsmitglieder der BÄK wird hervorgehen, dass „Krisen unterschiedlicher Ursachen und militärische Bedrohung, hybride Angriffe, der Bündnis- sowie der Landesverteidigungsfall“ in allen künftigen Maßnahmen des Gesundheitssystems von Legislative und Exekutive mitgedacht werden müssten.
Der Ärztetag fordert die Politik dazu auf, die zuletzt nicht mehr abgeschlossenen Arbeiten am Gesetz zur Stärkung der Resilienz kritischer Anlagen und am Gesundheitssicherstellungsgesetz wieder aufzunehmen.
Ein Schwerpunkt der Debatte lag auf der Kooperation zwischen zivilen und militärischen Einrichtungen. Als Gast sprach Generaloberstabsarzt Ralf Hoffmann, Inspekteur des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Er mahnte zur Vorbereitung für den Fall der Fälle. „Wir alle haben als Ärztinnen und Ärzte eine Verantwortung für unsere Patienten.“
Vorbereitung dürfe jedoch nicht als Kriegstreiberei missverstanden werden, mahnte Hoffmann, ebenso wie auch mehrere weitere Vortragende. „Keiner von uns will eine kriegerische Auseinandersetzung“, sagte er unter Applaus.
Doch falls es im äußersten Fall dazu kommen sollte, sei der Sanitätsdienst auf ein Zusammenwirken der Kräfte und Mittel angewiesen. Es müssten jetzt Wege gefunden werden, um alle möglichen Vorbereitungen zu treffen, um gemeinsam möglichst effizient zu sein.
Andreas Durstewitz (Bayern) begrüßte Hoffmanns Besuch und eine mögliche Zusammenarbeit mit dem Sanitätsdienst. Er sah auch finanziell eine Chance und warf die Frage auf, ob im Fall einer Zusammenarbeit nicht auch Kliniken und Praxen von den steigenden Verteidigungsausgaben profitieren könnten.
Frage der Belastbarkeit des Systems
Es gab auch Stimmen, die anmerkten, dass das Gesundheitssystem bereits heute in vielen Bereichen am Limit sei. „Wir haben unsere eigenen Aufgaben“, sagte etwa Detlef Lorenzen (Baden-Württemberg).
Robin Maitra (Baden-Württemberg) betonte, dass man sich klar machen müsse, dass im Verteidigungsfall 1.000 Verletzte pro Tag versorgt werden müssten, und dies über Monate oder gar Jahre. Das sei nicht zu bewältigen. Durch diese Illusion drohe man, „immer kriegsfähiger“ zu werden. Ärztliche Aufgabe sei aber „Friedensfähigkeit“.
Ein Antrag einer Gruppe von Delegierten um Maitra („Krisenresilienz statt Kriegstüchtigkeit“) wurde an den Vorstand überwiesen. Darin heißt es, die unabdingbare Resilienz des Gesundheitswesens dürfe nicht verwechselt werden „mit Bestrebungen, die ärztliche Tätigkeit militärischen Zielen und Befehlsstrukturen unterzuordnen“.
Die schon jetzt hohe Belastung des System bestätigte auch Doreen Richardt (Schleswig-Holstein). Sie berichtete zugleich, dass in der Klinik, in der sie arbeite, bisher mehr als 15.000 Menschen aus der Ukraine versorgt worden seien, „mit Verletzungen, die wir Chirurgen vorher noch nie gesehen haben“. Ihr Fazit: Es gelte jetzt, Konzepte zu entwickeln, damit man im Ernstfall standhalten und auch zivile Patienten versorgen könne. Ähnlich äußerten sich mehrere weitere Vortragende.
Ärzteparlament auch für Coronaaufarbeitung und Stärkung des ÖGD
Als wichtiger Schritt für einen resilienteren Umgang mit künftigen Krisen kam darüber hinaus die Pandemievorsorge zur Sprache. So erhielt ein Antrag eine Mehrheit an Stimmen, der vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) fordert, den Nationalen Pandemieplan zu aktualisieren und dabei ärztliche Expertise einzubeziehen.
Ebenso spricht sich das Ärzteparlament für eine Aufarbeitung der Coronapandemie aus, so wie es die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt hat. Betont wird hier, dass auf den Sachverstand klinisch tätiger Ärztinnen und Ärzte zurückgegriffen werden solle.
Noch zusätzlich speziell auf die Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) hebt ein weiterer Antrag ab, der beschlossen wurde: Damit fordert der Ärztetag vom BMG auch eine Evaluation des in der Coronapandemie beschlossenen Paktes für den ÖGD. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass der Pakt „kein Selbstzweck ist, sondern der ÖGD im Hinblick auf zukünftige Krisen besser vorbereitet werden sollte.“
Weiter sprach sich der Ärztetag für eine Stärkung des militärischen und zivilen Katastrophenschutzes aus. Die Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Akteuren müsse intensiviert werden, um eine koordinierte Einsatzführung im Notfall zu gewährleisten.
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