Greenpeace: Bleibende Schäden durch US-Atomtests im Pazifik

Rongelap/Hamburg – Die Folgen der US-Atombombentests im Pazifik sind einer Untersuchung zufolge bis heute spürbar und wiegen weit schwerer als offiziell anerkannt. Das zeigt eine vom US-amerikanischen Institute for Energy and Environmental Research im Auftrag von Greenpeace durchgeführte Analyse.
Die Umweltschutzorganisation veröffentlichte heute die 52 Seiten umfassende Untersuchung. Durch die zwischen 1946 und 1958 durchgeführten Versuche wurden demnach alle bewohnten Atolle der Marshallinseln radioaktiv kontaminiert. Aber: „Nur drei der 24 heute bewohnten Atolle erhielten medizinische Hilfe.“
Selbst die Menschen auf den sogenannten gering belasteten Atollen waren der Studie zufolge einer deutlich höheren Strahlenbelastung ausgesetzt als die evakuierte Bevölkerung von Pripjat nach der Reaktorkatastrophe 1986 im sowjetischen Tschernobyl (heute Ukraine).
Als besonders erschütternd bezeichnet Greenpeace den Umstand, dass US-Wissenschaftler die gesundheitlichen Folgen bei den Betroffenen beobachteten, ohne sie angemessen zu behandeln. „Die Menschen wurden ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung zu medizinischen Versuchsobjekten gemacht.“ Eine „gerechte Entschädigung und eine Entschuldigung durch die USA“ sei längst überfällig.
Greenpeace gedenkt mit der Untersuchung dem 40. Jahrestag der Evakuierung des zu den Marshallinseln gehörenden Rongelap-Atolls, das etwa auf halbem Weg zwischen Hawaii und Australien liegt.
Vor wenigen Wochen sind Mitarbeiter – begleitet von einem Wissenschafts- und Strahlungsteam – in die Region zurückgekehrt. Sechs Wochen lang sammelten sie vor Ort Bodenproben, um die langfristigen ökologischen und radiologischen Daten zu untersuchen.
„Die Tests auf Rongelap stehen exemplarisch für eine menschenverachtende, imperiale Politik, die Menschenleben bewusst geopfert und pazifische Kulturen ignoriert hat“, sagte Thomas Breuer, Leiter des Friedensteams von Greenpeace. Die Betroffenen verdienten endlich Anerkennung, Aufarbeitung und Gerechtigkeit.
Der Untersuchung zufolge waren die Kernwaffentests zudem nicht nur eine Katastrophe für die Marshallinseln, sondern hatten weltweit Folgen.
„Die zumeist oberirdischen Tests auf Bikini und Enewetak gehören zu den stärksten der Geschichte“, berichtet Greenpeace. „Die auf den Marshallinseln gezündete Gesamtsprengkraft betrug 108 Megatonnen – das entspricht dem Abwurf einer Hiroshima-Bombe an jedem einzelnen Tag über 20 Jahre.“
Rund ein Viertel der gesamten Strahlenbelastung aus allen oberirdischen Atomtests weltweit gehe auf diese Testreihe zurück. Die Folge seien Schätzungen zufolge rund 100.000 zusätzliche Krebstote - viele davon mit verzögerter Wirkung bis weit ins 21. Jahrhundert hinein.
„Diese Atombombentests sind kein abgeschlossenes Kapitel – sie wirken sich bis heute aus“, sagte Breuer. Eine gerechte Entschädigung und eine Entschuldigung durch die USA seien längst überfällig.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: