Größte Studie zur Impfung gegen Tumorantigen bei Bronchialkarzinom hat negatives Ergebnis
Madrid – Die Ergebnisse der bislang größten klinischen Untersuchung bei Patienten mit Lungenkarzinom, eine aktive Immunisierung gegen das Tumorantigen MAGE-3, haben die Teilnehmer der Jahrestagung der European Society for Medical Oncology in Madrid enttäuscht: Bei Patienten mit operiertem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) in den Stadien IB bis IIIA konnte die Vakzinierung die Dauer des durchschnittlichen krankheitsfreien Überlebens der Patienten im Vergleich zu Placebo nicht verbessern.
Teilnehmer, die den Anti-MAGE-3-Impfstoff nicht erhalten hatten, lebten median 57,9 Monate, in der Impfgruppe betrug das mediane krankheitsfreie Überleben 60,5 Monate (Hazard Ratio: 1,02; 95-%-Konfidenzintervall 0.89 – 1,18). „Dieses Ergebnis war unerwartet, weil die Immunisierung gegen MAGE-3 bei Patienten mit MAGE-3-Expression im Tumor in einigen früheren Studien vielversprechende Ergebnisse hatten“, sagte Johan F. Vansteenkiste von der Universitätsklinik Leuven in Belgien bei einer Pressekonferenz der Fachgesellschaft.
„Wir haben sowohl tumorantigenspezifische zelluläre, als auch humorale Immunantworten nach Immunisierung gegen MAGE-3 bei den Patienten gefunden, können also sagen: Es werden tumorspezifische Mechanismen und Zellen der Körperabwehr rekrutiert. Sie sind da, aber sie werden nicht aktiv gegen den Tumor“, kommentierte Vansteenkiste, Erstautor der Studie, die Ergebnisse im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt. Vermutlich schaffe der Tumor eine immunsupprimierende Mikroumgebung, zum Beispiel durch Aktivierung T-regulatorischer Zellen, die Immunreaktionen unterdrücken.
Obwohl die Forscher vermuten, dass bestimmte Subgruppen von Patienten einen klinisch relevanten Vorteil haben könnten, dürfte das negative Ergebnis der internationalen MAGRIT-Studie das „Aus“ sein für weitere klinische Prüfungen der tumorantigenspezifischen Immunisierung beim NSCLC. Denn mit 13 849 operierten Patienten sind mehr als je zuvor für den Einschluss in eine prospektive, randomisierte, doppelblinde Phase-III-Studie gescreent worden (ESMO 2014, Abstr. Nr. 11730).
Bei 4.210 von 12.820 Patienten mit auswertbaren Biopsaten fand sich eine MAGE-3-Expression im Tumor und 2.272 Teilnehmer wurden schließlich eingeschlossen und randomisiert. 1 515 von ihnen erhielten 13 intramuskuläre Injektionen der MAGE-3-Vakzine und 757 Placebo-Injektionen über 27 Monate und circa die Hälfte der randomisierten Teilnehmer bekam eine adjuvante Chemotherapie, die übrigen waren für die Chemotherapie nicht geeignet.
Auch in der Gruppe ohne adjuvante Chemotherapie unterschied sich das mediane krankheitsfreie Überleben zwischen Verum und Placebo nicht (58,0 Monate für die MAGE-3-Vakzine, 56,9 Monate für Placebo). Die Forscher bedauern das negative Ergebnis der Vakzine-Studie auch deshalb, weil nur circa 40 Prozent der Patienten in diesen Stadien durch Tumorresektion geheilt werden können und ebenfalls nur ein Teil für die adjuvante Chemotherapie infrage kommt, der Impfstoff aber sehr gut verträglich ist.
„Möglicherweise sind andere Strategien wie die antigenunspezifische Immun-Checkpoint-Inhibition, die gegenwärtig bei Patienten mit NSCLC klinische geprüft wird, effektiver als die antigenspezifische Vakzinierung“, sagte Martin Reck von der Abteilung Thoraxonkologie des Klinikums Großhansdorf. Immun-Checkpoint-Inhibitoren lösen „Bremsen“ des Immunsystems wirken Mechanismen der Immunsuppression entgegen. Sie werden derzeit zur Therapie verschiedener Entitäten solider Tumoren klinisch geprüft.
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