Medizin

Großbritannien: Euro 2020 steigert Infektionen unter männlichen Fans

  • Donnerstag, 8. Juli 2021
Fans feiern vor dem Wembley-Stadion, nachdem sich England für das Finale der Fußball-Europameisterschaft 2020 qualifiziert hat. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Zac Goodwin
Fans feiern vor dem Wembley-Stadion, nachdem sich England für das Finale der Fußball-Europameisterschaft 2020 qualifiziert hat. /picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Zac Goodwin

London – Großbritannien befindet sich auf einem steil aufsteigenden Arm der nächsten Welle von COVID-19 – und das Zusammentreffen von jüngeren überwiegend männlichen Fußballfans im Stadion oder beim Public Viewing könnte die Epidemie in den letzten Wochen befeuert haben, wie aktuellen Daten der REACT 1-Studie zeigen.

Das Imperial College London bittet in der „REal-time Assessment of Community Transmission 1“ (REACT 1), regelmäßig eine Stichprobe der Bevölkerung, Abstriche aus Nase oder Rachenraum für einen PCR-Test auf SARS-CoV-2 einzuschicken. Die jüngste 13. Runde der Studie vom 24. Juni bis 5. Juli fiel in die 2. Pha­se der Euro 2020. Sie zeigt einen starken Anstieg der Infektionen.

Nach den von Steven Riley und Mitarbeitern vorgestellten Zwischenergebnissen ist die gewichtete Präva­lenz auf 0,59 % gestiegen gegenüber 0,15 % in der 12. Runde vom 20. Mai bis 7. Juni, also kurz vor der Euro 2020. Die Verdopplungszeit der Fälle hat sich von 15 auf 6,1 Tage verringert, der R-Wert ist auf 1,87 gestiegen, was ein starkes exponentielles Wachstum anzeigt.

Ein Zusammenhang mit der Euro 2020 lässt sich gleich aus drei Entwicklungen ableiten. Zum einen ist die Zahl der Infektionen vor allem in den jüngeren Altersgruppen gestiegen, in der die Neigung am größten ist, sich anlässlich eines Spiels in Gruppen vor Leinwand oder Fernseher zu treffen. Von den 13- bis 17-Jährigen waren 1,33 % aktiv infiziert. Bei den 18- bis 24-Jährigen betrug die Prävalenz 1,40 %.

Zum zweiten haben sich die Infektionszahlen in London innerhalb weniger Wochen von 0,13 % auf 1,08 % mehr als verachtfacht. London ist der wichtigste Austragungsort mit einem großen Stadion, in dem mehrmals Zigtausende Fans den „Three Lions“ zujubelten, ohne Masken und ohne den geforderten Abstand voneinander einzuhalten.

Der dritte Hinweis ist eine Umkehr der Geschlechterrelation. Waren in der 12. Runde noch 34 % mehr Frauen als Männer infiziert, sind es jetzt 31 %. Da Fußballfans in der überwiegenden Zahl männlich sind, deutet dies auf ein Ansteckungsgeschehen beim gemeinsamen Bangen und Jubeln innerhalb oder außerhalb des Stadions hin.

Britische Epidemiologen sind angesichts dieser Zahlen um eine „stiff upper lip“ bemüht. Solange die Zahl der Erkrankungen und der Todesfälle nicht stark ansteigt, wird die Situation nicht als bedrohlich angese­hen.

Die hohe Impfquote von mittlerweile 86,4 % für die erste und 64,6 % für die zweite Impfung lässt die Epidemiologen hoffen, dass zumindest schwere Erkrankungen durch die inzwischen dominierende Delta-Variante verhindert werden. Tatsächlich ist die Zahl der Hospitalisierungen mit 2.460 und der Todesfälle mit 161 in ganz Großbritannien noch gering. Gegenüber der Vorwoche sind die Zahlen jedoch um mehr als 40 % gestiegen.

Unter den Teilnehmern der REACT-1-Studie, die in der Regel nicht oder nur milde erkrankt sind, ist die Prävalenz bei den doppelt geimpften Personen unter 65 Jahren dreimal niedriger als bei den unge­impf­ten Personen (0,35 % versus 1,15 %). Unter den über 65-Jährigen, die in aller Regel doppelt geimpft sind, ist die Prävalenz weiter niedrig. Sie ist aber von 0,06 % auf 0,24 % um mehr als das Vierfache gestiegen.

Die Virologen forderten alle Briten, die noch nicht geimpft sind, auf, dies möglichst rasch nachzuholen. Die Regierung hofft angesichts der hohen Impfquote vor dem schlimmsten bewahrt zu werden. Die all­gemeine Meinung ist, dass die Bevölkerung lernen müsse, mit dem Virus zu leben, und dass strenge Maß­nahmen bei einer niedrigen Rate von Erkrankungen und Todesfällen nicht mehr durchzusetzen sind.

rme

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