Medizin

Großbritannien: Studie vermutet sozioökonomische Ursachen für hohe Kindersterblichkeit

  • Montag, 17. August 2015
Uploaded: 17.08.2015 12:05:03 by mis
Siedlung in Jaywick (Essex) /dpa

Nottingham – In Großbritannien sterben fast doppelt so viele Kinder vor dem Erreichen des Schulalters wie in Schweden. Eine Studie in den Archives of Disease in Childhood (2015; doi: 10.1136/archdischild-2014-308059) führt dies in erster Linie auf Unterschiede in der Sozialstruktur beider Länder zurück.

Schweden und Großbritannien haben ein ähnliches Gesundheitssystem. In beiden Ländern ist die Krankenversorgung für alle Einwohner kostenfrei. Auch der Anteil der Ausgaben am Bruttosozialprodukt ist mit etwa 8 Prozent ähnlich. Dennoch sterben in Großbritannien von 100.000 Menschen 614 in den ersten fünf Lebensjahren, in Schweden sind es mit 328 nur etwas mehr als halb so viele.

Die größten Unterschiede bestehen in der Sterberate von Frühgeburten. Sie ist heute in entwickelten Ländern die Hauptursache für einen Tod in den ersten fünf Lebensjahren. In Großbritannien sterben 138,5 von 100.000 Kindern nach einer Frühgeburt, in Schweden sind es nur 10,1 pro 100.000 Kinder. Die Frühgeburtsterblichkeit ist damit in Großbritannien 13 Mal höher als in Schweden.

Dies ist laut Imti Choonara von der Universität Nottingham, der die Daten jetzt veröffent­licht hat, nicht etwa auf eine schlechtere medizinische Versorgung zurück­zuführen. Die neonatologischen Intensivstationen seien in Großbritannien genauso gut ausgestattet wie in Schweden. In Großbritannien gebe es aber deutlich mehr Frühgeburten und dies hängt für Choonara mit der größeren sozialen Ungleichheit in der britischen Gesellschaft zusammen.

Armut steigert aus unterschiedlichen Gründen (schlechtere Ernährung, seltenere Teilnahme an der Vorsorge et cetera) die Häufigkeit von Frühgeburten. Zu diesem Ergebnis war 2005 auch eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirt­schaftsforschung (RWI) gekommen. Der Anteil der Frühgeburten liegt auch in Deutschland bei finanzschwachen Müttern mehr als doppelt so hoch wie bei finanziell besser gestellten Frauen.

Auch bei der zweithäufigsten Todesursache im frühen Kindesalter könnten soziale Unterschiede eine Rolle spielen. In Großbritannien sterben 112,1 von 100.000 Kindern an den Folgen einer angeborenen Fehlbildung, in Schweden sind es nur 88,6 auf 100.000 Kinder. Ein Grund könnte die geringere Inanspruchnahme der Pränatal­diagnostik durch ärmere Bevölkerungsschichten sein, vermutet Choonara mit Hinweis auf eine Studie im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2011; 343: d4306).

Die dritthäufigste Todesursache im Kindesalter sind Infektionen: Die Zahlen sind hier in Großbritannien fast doppelt so hoch wie in Schweden (63,9 versus 34,8/100.000 Kinder). Die meisten dieser Todesfälle wären vermeidbar, meint Choonara. In beiden Ländern gibt es die notwendigen Impfstoffe und Medikamente. Dass sie in Großbri­tannien seltener zum Einsatz kommen, könnte laut Choonara erneut soziale Gründe haben. Auch die Ausbildung der Mediziner könnte eine Rolle spielen. In Schweden erhielten Hausärzte im Gegensatz zu Großbritannien eine pädiatrische Fortbildung.

rme

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