Harntest misst Ernährungsverhalten
London – Britische Forscher haben einen Harntest entwickelt, mit dem die Ernährungsgewohnheiten eines Menschen gemessen werden können. Die erste klinische Prüfung in Lancet Diabetes & Endocrinology (2016; doi: 10.1016/S2213-8587(16)30419-3) konnte jedoch nicht völlig überzeugen.
Fragebögen und Tagebücher sind derzeit die wichtigsten Instrumente, um das Ernährungsverhalten zu untersuchen. Die Angaben zur Nahrungsaufnahme sind jedoch häufig ungenau, weil die Studienteilnehmer sich nicht mehr genau erinnern, was sie gegessen haben, oder ihre Diätsünden nicht eingestehen wollen. Die Möglichkeiten, die Ernährung durch Blut- oder Harntests objektiv zu beurteilen, sind derzeit gering. Zu den wenigen Möglichkeiten gehören ein Harntest auf Natrium oder Stickstoff, mit dem sich die Zufuhr von Salz oder Proteinen abschätzen lassen.
Dies könnte sich in Zukunft ändern, da Proteomik, Metabolomik und andere „Omics" eine breite Inventur der in Körperflüssigkeiten enthaltenen Stoffe erlauben. Der Test, den ein Team um Gary Frost vom Imperial College London jetzt untersucht hat, basiert auf der Kernspinresonanzspektroskopie (NMR). Dabei werden die Konzentrationen verschiedener Moleküle anhand des Kerspins bestimmter Atome messen. Die häufigste Methode ist die 1H-NMR, die den Kernspin des Wasserstoffatoms verwendet.
Der neue Test wurde zunächst an 19 Probanden untersucht, die für vier Tage stationär aufgenommen wurden und in dieser Zeit eine von vier unterschiedlichen Diäten zu sich nahmen. Die erste Kost entsprach weitgehend den Anforderungen der DASH-Diät, die zur Vorbeugung der arteriellen Hypertonie entwickelt wurde. Sie hat einen hohen Anteil von Obst und Gemüse, Vollkornprodukten und fettarmen Milchprodukten, bevorzugt Fisch gegenüber weißem Fleisch und schränkt die Zufuhr von Zucker und Fetten ein. Die Diäten 2 bis 4 entfernten sich mit einem steigenden Anteil von Fetten und Zucker immer weiter von den DASH-Empfehlungen.
Von den 486 Peaks im 1H-NMR waren 19 bei einer DASH-Diät erhöht. Die Peaks von Rhamnitol, 4-Hydroxyhippurat, Hippurat, Tartrat und Glykolat zeigten einen vermehrten Verzehr von Obst an. Mehrere Peaks für Cysteinsulfoxide waren für Gemüse kennzeichnend. Ein vermehrter Fischverzehr führte zum Anstieg von Dimethylamin, und mageres weißes Fleisch war an den Peaks von 1- und 3-Methylhistidin erkennbar. Weitere neun Peaks waren in der ungesündesten Diät 4 erhöht. Dazu gehörten O-Acetylcarnitin, Carnitin und Kreatin als Marker für den Verzehr von rotem Fleisch sowie Glukose, die bei einem hohen Zuckerkonsum im Urin nachweisbar ist.
Die Forscher entwickelten aus den Testergebnissen metabolische Profile für jede der vier Diäten. Die Profile wurden dann an 225 Teilnehmern aus der britischen Kohorte der INTERMAP-Studie überprüft. Die gesunde DASH-Diät ließ sich gut von den anderen Diäten unterscheiden. Zwischen den anderen drei Diäten gab es jedoch beträchtliche Überlappungen. Frost vermutet, dass die Studienteilnehmer in den Fragebögen der INTERMAP-Studie ungenaue Angaben zu ihrem Ernährungsverhalten gemacht haben könnten.
Die Forscher entschieden sich deshalb zu einer zweiten Validierung an einer Gruppe von 66 gesunden dänischen Probanden. Auch hier gab es keine perfekte Übereinstimmung der Diäten mit den metabolischen Profilen. In dieser Studie hatten die Probanden jedoch nur einzelne Urinproben abgegeben, die nur einen momentanen Einblick in den Ernährungsstoffwechsel liefern. Frost vermutet, dass ein 24-Stunden-Sammelurin für ein genaues Ergebnis notwendig ist.
Eine dritte Validierung, die beide Kritikpunkte berücksichtigt, wurde bisher nicht durchgeführt. Dennoch hofft Frost, den Test in den nächsten beiden Jahren so weit entwickelt zu haben, dass er außerhalb von Studien eingesetzt werden könnte. Zu den möglichen Anwendungen gehört eine Überprüfung des Ernährungsverhaltens während einer Diät. Die Ernährungsberater müssten sich dann nicht mehr auf die Angaben der Patienten verlassen, wenn sie nach Gründen für das Versagen einer Diät suchen.
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