Harnwegsinfektionen: Kranbeere kein Ersatz für Antibiotika
Amsterdam – Extrakte aus amerikanischen Kranbeeren (Cranberry) werden zur Prophylaxe von Harnwegsinfektionen beworben, unter denen viele prämenopausale Frauen leiden. In einer direkten Vergleichsstudie in den Archives of Internal Medicine (2011; 171: 1270-1278) war das Präparat eines US-Herstellers jedoch der Standardprophylaxe mit einem niedrig dosierten Antibiotikum unterlegen. Es kam jedoch seltener zu Resistenzen.
Die Beeren von Vaccinium macrocarpon, einem ursprünglich in den Hochmooren im östlichen Nordamerika heimischen Strauch aus der Gattung der Heidelbeeren, werden vor allem in Neuengland großflächig angebaut.
Ein Teil der Ernte geht in die Produktion von Kapseln, die zur Linderung von Harnwegsinfektionen vermarktet werden. Die in den Beeren enthaltenen Proanthocyanidine sollen die Adhärenz von E. coli am Uroepithel blockieren.
Die klinische Wirkung wurde in mindestens 2 randomisierten klinischen Studien untersucht, aus deren Ergebnissen eine Cochrane-Analyse vor einigne Jahren eine Reduktion des Rezidivrisikos um 39 Prozent (relatives Risiko 0,61; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,04-0,91) errechnete.
Die medizinische Standardbehandlung ist derzeit jedoch die Gabe eines niedrig dosierten Antibiotikums wie beispielsweise Trimethoprim-Sulfamethoxazol (TMP-SMX). Mariëlle Beerepoot vom Academisch Medisch Centrum in Amsterdam hat jetzt beide Therapie miteinander verglichen.
221 prämenopausale Frauen wurden auf die Einnahme von TMP-SMX (480 mg am Abend plus eine Placebokapsel zweimal täglich) oder einer Cranberry-Kapsel (500 mg zweimal täglich und eine Placebotablette am Abend) über 12 Monate behandelt. Die Teilnehmerinnen wurden während dieser Zeit und in den ersten3 Monaten nach dem Ende der Therapie monatlich untersucht.
Ergebnis: TMP-SMX war den Kapseln klar überlegen. Die Rezidivrate betrug 1,8 in den ersten 12 Monaten gegenüber 4,0 im Cranberry-Arm. Unter TMP-SMX traten die Rezidive im Durchschnitt nach 8 Monaten, im Cranberry-Arm bereits nach vier Monaten auf.
Ein Vorteil der Cranberry-Extrakte ist sicherlich die Vermeidung von Antibiotika-Resistenzen. Schon nach einem Monat TMP-SMX-Prophylaxe waren in Stuhlproben mehr als 85 Prozent der E. coli Isolate resistent, im Cranberry-Arm lag die Rate bei unter 30 Prozent. Allerdings hatte sich die Darmflora bereits drei Monate nach dem Ende der Prophylaxe wieder erholt.
Dennoch unterstreicht die Studie die Bedenken, die einer langfristigen Antibiotika-Prophylaxe entgegengebracht werden. Cranberrys könnten nach Ansicht von Beerepoot bei einigen Patientinnen durchaus eine Alternative sein. Die Studie hatte allerdings keinen reinen Placebo-Arm, so dass offen bleibt, ob das Cranberry-Extrakt eine Wirkung erzielte. Eine solche ist jedoch nicht unwahrscheinlich, weil die Teilnehmerinnen im Jahr vor der Studie im Durchschnitt 7 Harnwegsinfektionen erlitten hatten.
Der Editorialist Bill Gurley von der Universität von Arkansas in Little Rock wundert sich nicht über die schwächere Wirkung der Cranberry-Extrakte. Die Inhaltsstoffe würden aufgrund ihrer Lipophilie kaum vom Darm resorbiert und dann in der Leber einer raschen xenobiotischen Entgiftung unterzogen, so dass im Harn nur geringe Wirkstoffkonzentrationen erzielt würden. Wie bei vielen Naturheilmitteln würde die notwendige Dosis unterschätzt. Bei den Cranberrys werde derzeit die optimale Dosis in einer Phase-II-Studie untersucht.
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