HAW Hamburg: Projekt „KURVE“ identifiziert kultursensible Versorgungsbedürfnisse

Hamburg – Im Rahmen des Forschungsprojekts KURVE, was für „Kultursensible Versorgungsbedürfnisse identifizieren und Chancen nutzen“ steht, sollen Schulungsangebote für Angehörige und Pflegedienste entwickelt werden. Pflege- und Gesundheitswissenschaftler der HAW Hamburg erforscher dafür die besonderen Versorgungsbedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund. Ihr Anteil wird in den komenden Jahren stetig zunehmen.
Im Jahr 2010 hatten in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 1,5 Millionen Menschen über 65 Jahre einen Migrationshintergrund. Für die Zeit zwischen 2005 und 2025 erwarten Wissenschaftler des Projekts KURVE eine Verdopplung der Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund über 55 Jahren. Neben Interviews mit 11 pflegenden Angehörigen führte das Forscherteam Workshops mit Vertretern von Behörden, Krankenkassen, ambulanten Pflegediensten, Migrationsforschern und weiteren Kooperationspartnern durch, um spezifische Schulungsangebote zu entwickeln. Da Pflegebedürftige mit Migrationshintergrund in Hamburg vor allem aus der Türkei (18 %) und Polen (13 %) stammen, konzentriert sich das Forschungsprojekt zunächst auf diese Gruppen.
Wie sich in den Untersuchungen zeigt, leiden viele Angehörige unter einer extremen Doppelbelastung: Nicht nur pflegen sie ihre Familienmitglieder neben ihrer eigenen Berufstätigkeit, sondern sie üben häufig gleich mehrere Jobs aus. Oft fehlen ihnen Informationen zum Thema Pflege und zu den Angeboten des Gesundheitssystems. Sprachbarrieren kommen hinzu. „Es gibt auch sehr spezielle Fragen, zum Beispiel was ein Pflegebedürftiger mit Diabetes im Fastenmonat Ramadan beachten sollte“, erläuterte Johanna Buchcik, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt, bei der Vorstellung der Ergebnisse auf der Transfertagung an der HAW Hamburg im Frühjahr dieses Jahres.
Die Erfahrungsberichte von Pflegediensten und sozialen Einrichtungen zeigen folgende Bedürfnisse: Nach kultureller Tradition erwarteten vor allem die Befragten mit türkischen Migrationshintergrund, dass Besucher ihre Schuhe ausziehen – auch Pflegedienstmitarbeiter. Oft gehen Pflegebedürftige davon aus, dass zunächst gemeinsam Tee getrunken wird, bevor die eigentliche Pflege beginnt. Zu berücksichtigen ist auch ein unterschiedlicher Umgang mit Körperlichkeit. Bei der Ernährung müssen Pflegekräfte unter anderem darauf achten, dass es gläubigen Muslimen nicht erlaubt ist, Schweinefleisch zu essen.
Die Forschungen des Projektes KURVE zeigen, dass kulturelle Besonderheiten einen intensiven Austausch erfordern, für den im Rahmen der Pflege genügend Zeit eingeplant werden sollte. Die Schulungen, die das Forscherteam auf Basis der Untersuchungsergebnisse entwickelt hat, thematisieren außerdem die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege, Aspekte von Körperpflege und Krankheiten, Finanzierungsfragen sowie das eigene Belastungserleben und das Rollenverständnis.
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