Ärzteschaft

Heftige Kritik an geplanten Verordnungen und Impfungen in Apotheken

  • Mittwoch, 17. September 2025
/picture alliance, David Inderlied
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Berlin – Die gestern vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgestellten Apothekenreformpläne stoßen auf breite Ablehnung in der Ärzteschaft. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), alle 17 Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die Verbände der Haus- und Frauenärzte warnten heute davor, Apotheken ärztliche Kompetenzen einzuräumen.

So sei es gleich in mehrfacher Hinsicht „ein gefährlicher Irrweg“, Apotheken verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Verordnung durch Ärztinnen und Ärzten abgeben zu lassen, betonten KBV und die KVen in einer gemeinsamen Erklärung.

Aus Sicht der Patientensicherheit sei es „geradezu ein Hohn, wenn das BMG ernsthaft vorhat, dass Apotheken Medikamente eigenständig verschreiben und auch gleich an Patienten abgeben können“, heißt es darin. Wenn Patienten verschreibungspflichtige Arzneimittel erhielten, ohne vorher einen Arzt gesehen zu haben, könne dies Leib und Leben gefährden.

„Medikamente sind keine Bonbons“, schreiben KBV und KVen. Vielmehr sollten Arzneimittel gezielt zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden, die nur Ärzte aufgrund ihrer medizinischen Ausbildung überhaupt diagnostizieren und therapieren könnten. „Apothekerinnen und Apotheker sind dafür nicht ausgebildet“, so die Erklärung weiter.

Zudem verstoße dieses Vorhaben gegen geltendes Recht, das bewusst die Trennung von Verordnung und Abgabe eines Medikaments vorsehe. Gebe man diese Trennung auf, bestehe das Risiko, dass die Verordnungsentscheidung nicht wie bisher alleine von medizinischen Erwägungen getragen sei.

KBV und KVen fordern die Politik deshalb auf, die Pläne ad acta zu legen. Diese würden in keiner Weise die Arztpraxen entlasten, wie das BMG in seinem Reformpapier behauptet, sondern nur die Patientensicherheit gefährden und die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die Höhe treiben.

Man appelliere zudem an die Apotheker vor Ort, auf ihre Interessensvertretungen einzuwirken. „Denn wir alle sollten die Aufgaben wahrnehmen, für die wir originär qualifiziert sind, und zusammenarbeiten mit dem Ziel einer guten und umfassenden Versorgung der Patientinnen und Patienten.“

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) warnte heute vor einem „Dammbruch“. Mit dem Vorhaben, Apotheken die Möglichkeit zu geben, zukünftig verschreibungspflichtige Arzneimittel eigenständig zu verschreiben und dann auch gleich abzugeben, überschreite die Politik eine rote Linie.

Auch das Vorhaben, Apotheken die Verimpfung aller Totimpfstoffe zu erlauben, lehnt der Verband vehement ab. Bereits mögliche Impfungen gegen Grippe und COVID-19 würden in den Apotheken kaum nachgefragt, die Zahl der Impfungen bewege sich auf niedrigem Niveau und es gäbe kaum Apotheken, die Impfungen überhaupt anbieten.

Die Politik ignoriere diese Erfahrungen jedoch. Demgegenüber wisse man bereits aus zahlreichen Studien und Untersuchungen, dass die Impfquoten durch eine bessere Koordination gesteigert würden, und nicht dadurch, neue Impfstellen zu schaffen. So sei die Impfquote etwa in den Hausarztprogrammen um zehn Prozent höher als in der Regelversorgung, und zwar ohne impfende Apotheken.

Auch der Berufsverband der Frauenärzte (BVF) warnte davor, dass Apotheker selbstständig Diagnosen stellen und daraufhin Arzneimittel abgeben. „Als erste Anlaufstelle in Fragen der Frauengesundheit kennen wir unsere Patientinnen oft über Jahre“, betonte die dritte Vorsitzende des Verbands, Cornelia Hösemann.

Impfungen und Medikationsentscheidungen würden dabei stets im Kontext von Schwangerschaft und Stillzeit, Kontrazeption, Vorerkrankungen und möglichen Wechselwirkungen beurteilt. „Diese ärztliche Gesamtschau und Expertise ist durch nichts zu ersetzen.“

So würden Impfentscheidungen in Schwangerschaft und Stillzeit besondere Sorgfalt bei der Nutzen-Risiko-Abwägung erfordern. Bei hormoneller Kontrazeption müssten kardiovaskuläre Risiken und Migräneformen beachtet werden, bei chronischen Erkrankungen oder onkologischer Vorgeschichte brauche es eine sorgfältige Einordnung.

„Das setzt Anamnese, Aufklärung, den Ausschluss von Kontraindikationen und – im Zweifel – eine ärztliche Untersuchung voraus“, unterstreicht Hösemann. Das Impfmanagement gehöre deshalb in ärztlich qualifizierte Hände.

lau

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