Herz-Kreislauf-Prävention: Kritische Zwischenbilanz zur Polypille

London – Die von einem britischen Präventionsmediziner vorgeschlagene Polypille, eine fixe Kombination aus Antihypertonika, Cholesterinsenker, Folsäure und ASS, hat in klinischen Studien noch nicht überzeugt. Meta-Analytiker geben in der Cochrane Library (2014; doi: 10.1002/14651858.CD009868.pub2) keine Empfehlung ab.
Die Polypille ist die Erfindung von Nichola Wald, dem Gründer und langjährigen Leiter des Wolfson Institute of Preventive Medicine in London. Er schlug 2003 im British Medical Journal vor, ohne Screening oder Auswahl allen Menschen über 55 Jahre eine Polypille zu verschreiben. Sie sollte neben einem Statin und drei Antihypertensiva, alle in der halben Standarddosis, noch 0,8 mg Folsäure und 75 mg Acetylsalicylsäure (ASS) enthalten. Wald kam damals in einer Analyse (von randomisierten Studien und epidemiologischen Untersuchungen) zu dem Ergebnis, dass die Polypille die Rate von Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 80 Prozent senkt und die Lebenserwartung um 11 Jahre verlängert.
Der von Wald verbreitete Optimismus erwies sich allerdings nicht als ansteckend, und bisher hat keine Pharmafirma die Polypille auf den Markt gebracht. Die wenigen randomisierten Studien, die zur Primär- oder Sekundärprävention durchgeführt wurden, konnte die Vorhersagen von Wald bisher nicht bestätigen, wie eine aktuelle Meta-Analyse von neun Phase-II-Studien mit 7.047 Teilnehmern zeigt, die die ebenfalls in London ansässige Cochrane Heart Group um Mark Huffman jetzt veröffentlicht hat.
Nicht ohne Nebenwirkungen
Das Team kommt zu dem Ergebnis, dass die Polypille den systolischen Blutdruck um 7,05 mmHg senkt, was durchaus ein beachtlicher Wert ist. Das Gesamtcholesterin fiel dagegen nur um 0,75 mmol/l. Ob dies zusammen mit der Einnahme von ASS und Folsäure auf Dauer das Herzkreislaufrisiko senkt, lässt sich nach einer Studiendauer von sechs Wochen bis 15 Monaten noch nicht beurteilen. Fest steht aber, dass die Polypille nicht ohne Nebenwirkungen bleibt: Von 1.000 Personen, die sie einnahmen, klagten 55 mehr als im Placebo-Arm über Nebenwirkungen. Der Unterschied bei den Therapieabbrüchen betrug 25 auf 1.000 Patienten.
Huffman betont, dass die neun Studien sehr „heterogen“ waren und deshalb aus dem Vergleich noch keine größeren Schlüsse gezogen werden können. Weitere Erkenntnisse werden für das nächste Jahr erwartet. Dann sollen dem Vernehmen nach die Ergebnisse aus sechs laufenden Studien vorgestellt werden.
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