Herzfrequenzturbulenz als wichtigstes Sterberisiko
St. Louis – US-Forscher haben einen neuen kardialen Risikofaktor entdeckt, der bedeutsamer als alle bekannten Faktoren zu sein scheint. Laut der Studie im Journal of Cardiovascular Electrophysiology (2011; 22: 122-127) haben Menschen mit Herzfrequenzturbulenzen ein achtfach erhöhtes Sterberisiko.
Zum Vergleich: Ein erhöhtes C-reaktives Protein erhöhte das Sterberisiko in der Cardiovascular Health Study nur um den Faktor 2,5. Auch andere traditionelle Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Hypercholesterinämie, Hypertonie, Adipositas, Diabetes und Rauchen waren in der prospektiven Beobachtungsstudie, die 1.272 Senioren seit 14 Jahren begleitet, schwächer ausgeprägt.
Die Herzfrequenzturbulenz ist ein Phänomen im Langzeit-EKG. Sie beschreibt die Reaktion des Herzschlags auf eine ventrikuläre Extrasystole. Die Extrasystole hat meistens eine kompensatorische Pause zur Folge, bis der nächste Impuls vom Sinusknoten eintrifft. Es kommt zu einer Abnahme der linksventrikulären Füllung und somit zu einem kurzfristigen Blutdruckabfall.
Dieser Blutdruckabfall bewirkt über die Barorezeptoren zunächst einen Anstieg der Herzfrequenz (“early acceleration”). Danach kommt es gegenregulatorisch zu einer Abnahme der Herzfrequenz (“late deceleration”). Die Herzfrequenzturbulenz beschreibt die Dauer, bis das Herz seine normale Frequenz wieder erreicht hat. In der Cardiovascular Health Study hatten etwa 7 Prozent der Teilnehmer eine abnormale Herzfrequenzturbulenz.
Waren beide Phasen der Frequenzanpassung gestört, so war dies bei ansonsten gesunden Senioren mit einem fast achtfach erhöhten Sterberisiko verbunden: Hazard Ratio 7,9 (95-Prozent-Konfidenzintervall 2,8–22,5). Bei den Senioren mit bekanntem hohen oder mittleren Risiko war das Sterberisiko um den Faktor 2,2 (1,5-4,0) und 2,7 (1,2-5,9) erhöht.
Nach Einschätzung von Erstautorin Phyllis Stein vom “Heart Rate Variability Laboratory” der Washington University in St. Louis könnte eine vermehrte Herzfrequenzturbulenz ein erstes und ernstes Warnzeichen für ein erkranktes Herz sein.
Möglicherweise sei es ein genereller Marker für die Unfähigkeit des Herzens, auf Arrhythmien angemessen zu reagieren. Behandlungsmöglichkeiten für eine abnorme Herzfrequenzturbulenz gibt es derzeit nicht, und völlig offen ist, ob sie die Prognose der Patienten wieder normalisieren würden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: