Herzinfarkt: China entdeckt westliche Behandlungsmethoden

Peking – Die Zahl der Chinesen, die wegen eines schweren ST-Hebungsinfarkts (STEMI) im Krankenhaus behandelt werden, hat sich innerhalb von zehn Jahren mehr als vervierfacht. Auch die Zahl der perkutanen koronaren Interventionen (PCI) hat stark zugenommen.
Bei einem Vernichtungsschmerz im Brustkorb verlassen sich Chinesen schon lange nicht mehr auf die Methoden der traditionellen chinesischen Medizin. Die meisten Patienten suchen ein Krankenhaus auf, immer häufiger ist dies eine Klinik mit einem Herzkatheterlabor, in dem Ärzte die verengte Koronararterie dilatieren und mit einem Stent offen halten.
Waren in den 1990er Jahren Herzkatheterbehandlungen in China noch weitgehend unbekannt, so kam es seit 2002, als die erste Leitlinie veröffentlicht wurde, zu einem Boom. Wie Lixin Jiang vom Nationalen Zentrum für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Peking in BMJ Open (2014; 4: e004595) berichtet, gab es im Reich der Mitte 2011 fast 1.200 Kliniken, in denen mehr als 300.000 PCI pro Jahr durchgeführt wurden. Laut Jiang wurde die Entwicklung auch durch eine Gesundheitsreform im Jahr 2007 begünstigt, die den Anteil der Chinesen mit einer Krankenversicherung auf 90 Prozent gesteigert hat.
In der „Patient-centered Evaluative Assessment of Cardiac Events“ oder PEACE-Studie hat Jiang zusammen mit US-Kardiologen die Entwicklung näher unter die Lupe genommen. Auffällig ist, dass parallel zum steigenden Angebot an Behandlungsplätzen auch die Zahl der Chinesen gestiegen ist, bei denen ein schwerer Herzinfarkt (STEMI) diagnostiziert wurde.
Die Inzidenz der Hospitalisierungen wegen eines STEMI hat sich zwischen 2001 und 2011 von 3,7 auf 15,8 pro 100.000 Einwohner mehr als vervierfacht, berichtet das Team jetzt im Lancet (2014; doi: 10.1016/S0140-6736(14)60921-1), wobei Jiang es für möglich hält, dass der Anstieg nicht allein Folge der besseren Behandlungsangebote ist, sondern auch auf die Zunahme von kardiovaskulären Risikofaktoren zurückzuführen ist. Eine retrospektive Querschnittsstudie kann dies allerdings nicht klären.
Gut belegen kann Jiang jedoch, dass trotz der Zunahme der Behandlungsplätze noch immer nur ein Teil der STEMI-Patienten eine leitlinien-gerechte Therapie erhält. Eine Reperfusionstherapie wurde auch 2011 nur bei etwa der Hälfte der Patienten durchgeführt. Der Anteil habe sich trotz der Zunahme der PCI von 10,2 auf 27,6 Prozent in den letzten zehn Jahren nicht erhöht, schreibt Jiang. Zwar erhalten die meisten STEMI-Patienten heute ASS, Clopidogrel und Statine.
Die Verordnung von Betablockern und ACE-Hemmern sei jedoch weiterhin zu gering. Auch die Mortalität ist nach Ansicht des Experten zu hoch. Sie hat sich laut der Analyse seit 2001 kaum verbessert. Für Jiang gibt es deshalb in China noch immer eine erhebliche Versorgungslücke für STEMI-Patienten, die in den nächsten Jahren geschlossen werden müsste.
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