Medizin

Herzinfarkt: MicroRNA fördert Reparatur des Myokards

  • Donnerstag, 6. Dezember 2012

Boston/Triest – Verfehlt die Stammzelltherapie des Herzinfarktes, die bisher keine wesentlichen klinischen Erfolge vorweisen kann, ihr Ziel? Eine neue Untersuchung zeigt, dass die Regenerierung des Myokards nach einer Ischämie eher von normalen Herzmuskelzellen als von Stammzellen ausgeht. Ein weiteres Team hat einen Weg gefunden, die „Selbstheilungskräfte“ zu stärken. Durch Injektion regulatorischer Gene konnte bei Mäusen die Ausdehnung des Infarkts begrenzt und der Herzmuskel gestärkt werden.

Frühere Studien hatten gezeigt, dass sich jährlich etwa ein Prozent aller Herzmuskel­zellen erneuern. Dies mag die Lebensdauer des gesunden Herzens verlängern. Beim plötzlichen Untergang von Milliarden Muskelzellen, zu dem es nach dem Verschluss einer Koronarie kommt, sind die Selbstheilungskräfte zu schwach. Seit einigen Jahren wird versucht, den Herzmuskel durch die intrakoronare Infusion oder auch intramuskuläre Injektion von Stammzellen zu unterstützen – bisher ohne durchschlagende Erfolge. Die Stammzelltherapie des Herzinfarktes konnte sich, trotz einiger vielversprechender Anfangsergebnisse, bisher nicht durchsetzen.

Eine Studie in Nature (2012; doi: 10.1038/nature11682) lässt jetzt Zweifel aufkommen, dass die Stammzelltherapie der richtige Weg ist. Das Team um Richard Lee von Brigham and Women’s Hospital in Boston kann mit Hilfe eines neuen Verfahrens zeigen, dass nicht nur Stammzellen, sondern auch ganz normale Herzmuskelzellen zur Regenerierung fähig sind. Und nach den Ergebnissen der US-Forscher sind vor allem die konventionellen Kardiomyozyten und nicht die Stammzellen dafür verantwortlich, dass die Zellregeneration in den Randzonen des ischämischen Areals auf etwa 3 Prozent pro Jahr gesteigert werden kann. Auch das ist bekanntlich zu wenig, um den Umbau (Remodeling) des Herzmuskels in eine nicht-kontraktile Infarktnarbe zu verhindern.

Doch Forscher vom International Centre for Genetic Engineering and Biotechnology (ICGEB) in Triest in Italien beschreiben in Nature (2012; doi: 10.1038/nature11739) jetzt möglicherweise einen Weg, wie die Regenerierung der Herzmuskelzellen gesteigert werden könnte. Das Team um Mauro Giacca ging davon aus, dass Kardiomyozyten im Erwachsenenalter die Fähigkeit zur Zellteilung, die sie in der Embryonalphase hatten, nicht grundsätzlich verloren haben.

Die Forscher suchten deshalb in Kardiomyozyten systematisch nach regulativen Genen, die die Uhr zurückstellen und die Zellen wieder zur Zellteilung befähigen könnten. Sie fanden sie in zwei sogenannten MicroRNA. Es handelt sich um kurze RNA-Moleküle von etwa 20 Nukleotiden, die in der Zelle an Messenger-RNA binden und damit die Umsetzung von Genen in Proteine verhindern.

Deutliche Vergrößerung der Muskelwand
Diese Steuerung der Genaktivität wird auch als Gene-Silencing bezeichnet. Das Team verpackte die MicroRNA in Viren und infizierte damit Herzmuskelzellen. Nachdem sie die Zellen im Labor erfolgreich zur Mitose stimulieren konnten, wurde die Therapie auch bei Mäusen eingesetzt. Die Injektion in den Herzmuskel gesunder Tiere führte zu einer deutlichen Vergrößerung der Muskelwand.

Histologische Aufnahmen ließen erkennen, dass sich die Zellen nicht nur vermehren, sondern danach auch in funktionale Muskelzellen mit Sarkomeren ausreifen. Im nächsten Schritt wurden dann Mäuse behandelt, bei denen die Forscher durch Ligatur einer Koronarie einen Infarkt ausgelöst hatten. Nach der Injektion der MicroRNA via Genfähre verkleinerte sich die Infarktnarbe innerhalb von zwei Monaten um die Hälfte, und die linksventrikuläre Ejektionsfraktion, ein Marker für die Pumpleistung des Herzens, konnte gesteigert werden.

Für klinische Studien ist die Zeit allerdings noch nicht reif. Zunächst muss sich zeigen, ob die Ergebnisse von anderen Arbeitsgruppen und an größeren Tieren reproduziert werden können. Dann dürften präklinische Tests notwendig werden, um auszuschließen, dass die „falschen“ Zellen zur Proliferation angeregt werden und es zum Tumorwachstum kommt.

rme

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