Herzinsuffizienz: Soft-Roboter steuert epikardiale Druckluftmanschette

Boston – Eine Manschette aus künstlichen pneumatischen Muskeln, die um das Herz geschlungen wird und mithilfe eines Soft-Roboters die Aktivität des natürlichen Herzmuskels unterstützt, hat in einer präklinischen Studie in Science Translational Medicine (2017; doi: 10.1126/scitranslmed.aaf3925) eine akute Herzinsuffizienz behoben. Im Gegensatz zu bestehenden Herzunterstützungssystemen hätte das Soft-Robotics-Implantat keinen Kontakt zum fließenden Blut.
Die klassischen Roboter sind Maschinenwesen aus Metall, die nur starre Bewegungen ausführen können. Moderne Soft-Roboter bestehen dagegen aus weichen Materialien, die sich an ein biologisches Gewebe anschmiegen und sanfte Bewegungen ausführen können. Die Soft-Robotik könnte deshalb Anwendungsgebiete in der Medizin haben. Ein erstes Beispiel ist ein epikardiales Herzunterstützungssystem, das ein Team um Conor Walsh von der John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences in Boston entwickelt hat.
Die Manschette hat die Form einer Mütze, die bei einer offenen Operation von der Herzspitze aus über die beiden Ventrikel gestülpt und mit einem Hydrogel befestigt wird. Sie besteht aus einem weichen Silikon, in das eine Vielzahl pneumatischer Muskeln eingearbeitet ist. Ein pneumatischer Muskel besteht auf einem druckdichten Schlauch, in den ein rautenförmiges Netz eingearbeitet ist. Bei einer Füllung mit Druckluft kommt es zu einer Verkürzung des Schlauchs. Form und Funktion ähneln der Kontraktion eines Muskels.
Die pneumatischen Muskeln des epikardialen Herzunterstützungssystems wurden laut Walsh dem Verlauf der Muskelfasern in den äußeren Herzschichten nachempfunden, was die physiologische Herzaktion unterstützen soll. Die Kontraktion der pneumatischen Muskeln richtet sich nach den EKG-Signalen, die ein Rechner in Steuersignale für die „Aktuatoren“ umsetzt. Die Druckluft wird außerhalb des Körpers von Elektromotoren erzeugt. Die Träger eines epikardialen Herzunterstützungssystems wären deshalb auf eine externe Pumpe angewiesen, wie sie von konventionellen Kunstherzen her bekannt ist.
Im Unterschied zu den konventionellen Kunstherzen hat das epikardiale Herzunterstützungssystem keinen direkten Kontakt zum Blut. Die Patienten würden deshalb keine antikoagulativen Medikamente benötigen. Es käme auch nicht zu Beschädigungen der Blutzellen, und das Thromboserisiko sollte nicht erhöht sein.
Die Forscher haben das epikardiale Herzunterstützungssystem an Schweinen erprobt, bei denen durch Infusion eines kurzwirksamen kardioselektiven Beta-Blockers (Esmolol) eine vorübergehende Herzinsuffizienz ausgelöst wurde. Die Pumpleistung, die daraufhin auf 47 Prozent abfiel, stieg nach Anschalten des epikardialen Herzunterstützungssystems wieder auf 97 Prozent. Durch die enge Herzmanschette wurde auch die diastolische Funktion unterstützt. Eine Dilatation der Herzkammern, wie sie für die chronische Herzinsuffienz typisch ist, wurde vermieden.
Bislang wurden nur wenige Experimente an Schweinen mit akuter Herzinsuffizienz durchgeführt. Erfahrungen an Tieren mit chronischer Herzinsuffizienz mit bereits dilatiertem Herz liegen noch nicht vor. Ein Problem scheint die Haftung der Herzmanschette am Herzmuskel zu sein. Die Forscher verwendeten hierfür ein Hydrogel aus Alginat-Polyacrylamid, das als extrem dehnbar und reißfest gilt. Wie lange es allerdings die ständigen Volumenänderungen und Scherkräfte beim Herzschlag aushält, ist offen. Eine klinische Anwendung ist derzeit noch nicht in Sicht.
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