Medizin

Herzschwäche: Extremer Ausdauersport gefährdet die Gesundheit

  • Freitag, 15. Dezember 2017
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Die Studie erklärt, wie extremer Sport ohne Pausen das Herz schädigen kann. /Dirima, stock.adobe.com

Heidelberg – Steigt die körperliche Belastung beim Sport über die Schmerzgrenze des Herzens, bleibt die gesundheitsfördernde Wirkung aus. In Mausversuchen entwickelte sich nach dem intensiven Training eine temporäre Herzschwäche. Verantwortlich dafür ist ein epigenetischer Schalter namens histone deacetylase 4(HDAC4), wie Forscher des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) und des Universitätsklinikums Heidelberg in Nature Medicine berichten (2017; doi: 10.1038/nm.4452).

Der neu entdeckte Signalübertragungsweg kann in Mäuseherzen je nach Belastung herauf oder herunter geregelt werden. Am Ende des Signalweges konnten die Forscher ein Bruchstück des Ausgangsenzyms HDAC4 ausschließlich in gesunden Mäuseherzen nach physiologischer Belastung vermehrt nachweisen. Mäuseherzen, welche einer pathologischen Belastung ausgesetzt waren, zum Beispiel einer dauerhaft erhöhten Druckbelastung, bildeten das HDAC4-Bruchstück jedoch nicht.

Vorrübergehende Herzschwäche

Die Forscher wollten den Effekt näher untersuchen und stellten deshalb genetisch veränderte Mäuse her, die das HDAC4-Bruchstück nicht bilden können. Die Tiere wurden einer physiologischen Belastung ausgesetzt und überraschenderweise hatte der Sport bei ihnen nicht mehr die gesunde Wirkung. Nach dem intensiven Training bildeten sie eine temporäre Herzschwäche, die zu einer deutlich verminderten Leistungsfähigkeit führte. Diese Herzschwäche bildete sich allerdings wieder zurück.

„Wir fanden eine vorübergehende Herzerschöpfung, auch ‚cardiac fatigue‘ genannt“, sagt Johannes Backs vom Universitätsklinikum Heidelberg, seit 2015 Direktor der neu eingerichteten Abteilung Molekulare Kardiologie und Epigenetik. Das Syndrom findet sich auch bei Patienten und wird nach Meinung von Lorenz Lehmann aus der Abteilung für Kardiologie am Universitätsklinikum Heidelberg unterschätzt. Denn es könne nur erkannt werden, wenn man die Herzfunktion während des Sports oder in den ersten Minuten danach untersuche, so der Erstautor der Studie.

Auf die Pausen kommt es an

Das HDAC4-Bruchstück kann das Herz also vor Schäden durch temporäre physiologische Belastungen schützen. Aber warum nicht auch vor Belastungen durch Bluthochdruck oder anderen krankmachenden Stress? „Der entscheidende Unterschied sind die Pausen“, sagt Backs. Bei Sport gibt es immer wieder Ruhephasen für das Herz. Ein Enzym namens Proteinkinase A erholt sich in diesen Phasen und sorgt dann dafür, dass an einem Scheideweg der Stoffwechselkette der gesunde Weg über die Aktivierung des HDAC4-Bruchstücks, eingeschlagen wird. „Wir wissen intuitiv alle, dass Pausen wichtig sind. Vielleicht haben wir jetzt die molekularen Ursachen dafür gefunden“, so Backs.

Bei Dauerbelastung durch starken Bluthochdruck folgen die Signale in den Herzzellen hingegen dem neu gefundenen, krankmachenden Weg:  Die Aktivität der Proteinkinase A lässt durch die Dauerbelastung irgendwann deutlich nach und das HDAC4-Bruchstück verschwindet. Der Stoffwechsel der Herzmuskelzellen verwendet dann mehr Zucker als Fett für die Energieproduktion. Aber nicht die veränderte Energieproduktion macht das Herz krank. Es liegt vielmehr daran, dass Zuckerreste auch an Proteine angehängt werden. Einige dieser durch Zucker veränderten Proteine hemmen schließlich den Kalzium-Stoffwechsel und dadurch die Kontraktilität des Herzmuskels. Es kommt zur Pumpschwäche. 

Gentherapie wirkt bei Mäusen

„Diese Befunde sind neuartig und ändern unsere Denkweise darüber, wie eine Herzmuskelzelle versagen kann. Wir konnten zeigen, dass es eine Verbindung von der Epigenetik über den Stoffwechsel hin zur Kontraktilität, also zur Herzfunktion, gibt“, sagt Backs. Die Forscher zeigen auch, dass eine Gentherapie mit dem HDAC4-Bruchstück bei Mäusen vor dieser Pumpschwäche schützt. Dieses gänzlich neue Therapieprinzip wird jetzt untersucht.

gie

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