Vermischtes

Hochzeit als Kündigungsgrund: Chefarzt klagt gegen Klinik

  • Mittwoch, 27. Juli 2016

Erfurt/Düsseldorf – Das private Glück eines Mediziners beschäftigt seit Jahren die höchs­ten deutschen Gerichte. Jetzt muss der Chefarzt eines katholischen Kranken­hau­ses in Düsseldorf nach der Scheidung von seiner ersten Frau, einer zweiten Liebe und der stan­desamtlichen Hochzeit 2008 möglicherweise mit der endgültigen Kündigung rechnen. Sein Fall ist seit 2011 vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und nun zurück zu den höchsten deutschen Arbeitsrichtern gewandert.

Es geht um Sonderrechte der Kirche als Arbeitgeber und eine Kündigung wegen eines „schweren Loyalitätsverstoßes“ – das Sakrament der Ehe wurde verletzt. Der Fall, mit dem sich die Bundesarbeitsrichter morgen erneut befassen wollen, dürfte viele inte­ressieren – die Kirchen sind ein großer Arbeitgeber in Deutschland. Das Urteil der höchs­ten deutschen Arbeitsrichter von 2011, mit dem sie der Kündigungsschutzklage des Arztes ebenso wie die Vorinstanzen in Nordrhein-Westfalen stattgaben, hatte in Karlsruhe keinen Bestand.

Die Verfassungsrichter stärkten 2014 vielmehr die Sonderrechte der Kirchen als Arbeit­geber und verwiesen das Verfahren zurück nach Erfurt. Sie bestätigten – zur Über­raschung von Prozessbeteiligten – damit ihre Linie von 1985. Damals billigten sie den Kirchen das Recht zu, Arbeitsverhältnisse nach ihrem religiösen Selbstverständnis zu regeln. Hintergrund ist das vom Grundgesetz garantierte kirchliche Selbstbestimmungs­recht.

„Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts können die Kirchen Loyalitätsregeln auf­stellen. Sie unterliegen nur eingeschränkt der Kontrolle der Fachgerichte“, sagt der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing. Er hatte die Kirchen vor dem Bundes­ver­fassungs­gericht vertreten. Unumstritten ist das Karlsruher Urteil unter Juristen allerdings nicht.

„Die kirchliche Autonomie wird vom Verfassungsgericht sehr weit ausgelegt“, findet der Bremer Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Däubler. „Die Amtskirche kann damit definie­ren, was gilt.“ Letztlich könnten so eigene ethische Prinzipien mit dem Arbeitsrecht durch­gesetzt werden. Auch Gewerkschafter kritisieren immer wieder Sonderwege der evange­lischen und katholischen Kirche beim Arbeitsrecht. Beispielsweise wird die Bezahlung von Kirchenmitarbeitern – darunter mehr als eine Million in Diakonie und Caritas – in der Regel nicht in Tarifverhandlungen festgelegt, sondern in Kommissionen. Arbeitskämpfe sind nicht erlaubt.

Bei dem Chefarzt wurde die zweite Hochzeit als schwerer Verstoß gegen katholische Grundsätze angesehen. Sein Dienstvertrag basiert auf einer vom Erzbistum erlassenen Grundordnung, nach der von den Mitarbeitern die Anerkennung der katholischen Glau­bens- und Sittenlehre erwartet wird. Danach gilt eine Wiederheirat als ungültige Ehe und damit als schwerwiegender Loyalitätsverstoß.

Die Reaktion des Arbeitgebers kam prompt: Er schickte dem Chefarzt eine ordentliche Kündigung – zum 30. September 2009. Wirksam ist sie wegen der juristischen Auseinan­der­setzung bisher nicht. Der Arzt pocht im Kampf um seinen Job ebenfalls auf die Ver­fassung – schließlich schütze sie auch Ehe und Familie.

Wie die Bundesarbeitsrichter mit dem heiklen Fall von Liebe, Kirchen- und Arbeitsrecht umgehen, ist noch nicht absehbar. In einem anderen Fall, in dem es um eine evange­lische Entwicklungshilfeorganisation als Arbeitgeber ging, haben sie jüngst eine weitere Instanz angerufen: Sie wollen vom Europäischen Gerichtshof klären lassen, ob kirchliche Arbeitgeber die Konfession von Bewerbern als Einstellungskriterium festlegen dürfen.

dpa

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