Hüft-Fehlstellungen: Trend zum „Baby-Pucken“ gefährdet Entwicklung
Berlin/Adelaide – Der Trend, Babys eng in Tücher oder Decken einzuwickeln, um sie zu beruhigen und das Einschlafen zu erleichtern, könnte zu einer Zunahme der Hüftfehlstellungen führen, befürchten Ultraschallexperten. Zahlen aus Australien zeigen eine Verdreifachung der spät diagnostizierten Hüftdysplasie-Fälle nach dem dritten Lebensmonat – trotz eines frühen klinischen Screenings. Die Daten wurden im The Medical Journal of Australia (doi:10.5694/mja15.01082) veröffentlicht.
Als Ursache für den Anstieg der Hüftdysplasien führen die Studienautoren die Geburt in einem ländlichen Krankenhaus als Risikofaktor auf im Vergleich zu Klinken in städtischen Metropolen (OR, 2.47; CI, 1.37–4.46). Zudem hatten Zweitgeborene verglichen mit Erstgeborenen ein erhöhtes Risiko (OR, 1.69; CI, 1.08–2.66) – auch eine Beckenendlage war verglichen mit einer Kopflage von Nachteil (OR, 0.25; CI, 0.12–0.54).
Umstrittene Wickelmethode als mögliche Ursache
Warum die australische Studie vor allem bei spät diagnostizierten Hüftdysplasie-Fällen einen Anstieg der Fallzahlen sieht, sei nicht ganz klar, erklärte Tamara Seidl, Oberärztin der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie am Franziskus Hospital in Bielefeld. „Ein Zusammenhang mit dem Pucken ist aber sehr wahrscheinlich,“ ergänzt die Expertin der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin.
Beim klassischen Pucken werden die Beine in Streckstellung aneinandergebunden. Je nach Dauer des Puckens wirken Kräfte, die das Wachstum der Hüfte verändern und verlangsamen. Die Hüfte reift nicht normal aus, und es kann sich eine Hüftdysplasie entwickeln, bei der Gelenkkopf und -pfanne nicht aufeinander passen. „Das geht bis hin zum Ausrenken des Gelenks“, betont Seidl. In anderen Ländern, etwa der Türkei oder Japan, sollen Aufklärungskampagnen die Eltern von der umstrittenen Wickelmethode abbringen.
Der späte Eintritt der Hüftfehlstellung nach dem dritten Lebensmonat ist deshalb so problematisch, weil er vom regelhaften Ultraschall-Screening im Rahmen der U3 nicht mehr erfasst wird. Eine späte Diagnose führt häufiger zu Operationen und Folgekomplikationen. Kinder mit einem besonders hohen Risiko werden bereits mit wenigen Tagen im Rahmen der U2 geschallt.
„Das betrifft etwa Kinder, bei denen in der Familie schon Fälle von Hüftdysplasie aufgetreten sind. Oder auch Babys, die aus Beckenendlage geboren wurden“, erläuterte Seidl. Den Erfolg des 1996 eingeführten Screenings untermauern verschiedene Studien. So sank der Anteil der Kinder, die wegen einer Hüftdysplasie in Deutschland operiert werden mussten, nach Einführung des generellen Ultraschallscreenings von 1,26 pro 1.000 Lebendgeburten auf 0,26.
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