Medizin

Hypertonie: US-Leitlinie nimmt Blutdruckziele zurück

  • Donnerstag, 19. Dezember 2013
Uploaded: 19.12.2013 10:32:35 by mis
dpa

Iowa City – Einen Monat nach der umstrittenen US-Leitlinie zur Therapie hoher Cholesterinwerte hat ein anderes Gremium neue Empfehlungen zur Behandlung der arteriellen Hypertonie bei Erwachsenen veröffentlicht. Darin werden – anders als bei der Cholesterin-Leitlinie – die Therapieziele eher zurückgenommen. Bei älteren Patienten und Patienten mit Begleiterkrankungen werden höhere systolische Blutdruck-Werte als bisher akzeptiert. Veränderungen gibt es auch bei der Auswahl der Medikamente zur Initialtherapie.

Die neue Leitlinie war – wie die zum Cholesterin – vom National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI) angeregt worden, das auch die letzte Leitlinie (JNC 7) herausgegeben hatte. Mitte des Jahres hatte sich das NHLBI jedoch überraschend zurückgezogen. Während die Federführung der Cholesterin-Leitlinie dann an die beiden US-Kardio­logenverbände überging, entschied sich das Joint National Committee 8 (JNC 8), die Leitlinie in Eigenregie zu veröffentlichen.

Die neue Leitlinie zeichnet sich durch Kürze aus. Die Empfehlungen, die im US-ameri­kanischen Ärzteblatt (JAMA 2013; doi: 10.l001/jama.2013.284427) veröffentlicht wurden, umfassen gerade einmal 14 Seiten (werden aber durch ein 316-seitiges Supplement ergänzt). Es enthält insgesamt neun Einzelempfehlungen, die sich jedoch in zwei Botschaften zusammenfassen lassen. Erstens: Bei Patienten über 60 Jahren mit unkomplizierter Hypertonie sollte ein Blutdruck über 150/90 mm Hg behandelt werden. Zweitens: Für alle anderen Patienten liegt das Blutdruckziel bei 140/90 mm Hg.

JNC 7 hatte für ältere Patienten noch eine Senkung des systolischen Blutdrucks auf unter 140 mm Hg gefordert. Das Autorenteam um Paul James von der Universität von Iowa in Iowa City begründet die Abkehr von diesem früheren Ziel unter anderem mit zwei Interventionsstudien aus Japan, in denen die aggressive Senkung des systolischen Werts auf unter 140 mm Hg die Zahl der klinischen Ereignisse nicht signifikant besser gesenkt hatte als eine Senkung auf unter 160 mm Hg (Hypertension Research 2008; 31: 2115-2127 und Hypertension 2010; 56: 196-202).

Die Gruppe scheint sich in dieser Frage jedoch nicht ganz einig gewesen zu sein. In einer Begleitempfehlung (Corollary Recommendation) heißt es, dass die medikamentöse Therapie nicht geändert werden muss, wenn sie ohne Nebenwirkungen einen systo­lischen Blutdruck von unter 140 mm Hg erzielt.

Bei allen anderen Patienten ist das Blutdruckziel von 140/90 mm Hg obligat. Das sind zum einem Patienten im Alter unter 60 Jahren. Zum anderen gilt die Empfehlung für alle Patienten, unabhängig vom Alter, wenn zur arteriellen Hypertonie ein Diabetes oder eine Nierenfunktionsstörung hinzu kommt. Dies bedeutet eine Veränderung gegenüber JNC 7, die für Diabetiker und Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion noch einen systo­lischen Wert von 130 mm Hg gefordert hatte.

Veränderungen gab es auch bei der Wahl der Wirkstoffe. JNC 7 hatte noch fünf Wirk­stoff­gruppen genannt, JNC 8 nennt nur noch vier Gruppen, die in der Initialtherapie entweder alleine oder in einer Kombination eingesetzt werden sollen. Diese vier Wirk­stoffgruppen sind ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorblocker (ARB), Kalziumantagonisten und Thiazid-Diuretika. Betablocker gehören nicht mehr zur ersten Wahl.

Als Grund werden die schlechteren Ergebnisse im Vergleich zu ARB in der Life-Studie angegeben (Lancet 2002; 359: 995-1003). Hier hatte ein ARB die Rate von klinischen Ereignissen signifikant besser gesenkt als ein Beta-Blocker. Vor allem Schlaganfälle waren seltener aufgetreten.

Entfallen ist auch die Bevorzugung der Diuretika, die in JNC 7 für heftige Diskussionen gesorgt hatten, weil der Einsatz von Diuretika mit einem Anstieg des Diabetesrisikos verbunden ist. Die Bevorzugung von Diuretika war damals mit den Ergebnissen der ALLHAT-Studie begründet worden (JAMA 2002; 288: 2981-2997). Dort hatten Diuretika vor allem bei Afroamerikanern Vorteile gehabt. In dieser Gruppe sollen Diuretika zusammen mit Kalziumantagonisten weiter bevorzugt eingesetzt werden. In anderen ethnischen Gruppen gilt diese Empfehlung nicht mehr.

Die Veröffentlichung in JAMA wird gleich von drei Editorials begleitet. Zwei Autoren äußern sich positiv zu der neuen Leitlinie, der dritte Eric Peterson von der Duke University betrachtet die neue Empfehlung für ältere Patienten kritisch – und fordert weitere Studien, um die Blutdruckziele besser zu definieren.

rme

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