IMPP-Direktorin Jünger offenbar vorläufig suspendiert

Berlin – Die Direktorin des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP), Jana Jünger, ist offensichtlich derzeit von ihren Dienstaufgaben entbunden. Dies geht unter anderem aus mehreren offenen Briefen aus dem politischen und medizinisch-wissenschaftlichen Umfeld hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegen.
Das zuständige Gesundheitsministerium Nordrhein-Westfalen, das aktuell den Vorsitz im Verwaltungsrat des IMPP hat, möchte sich auf Anfrage des DÄ zu der Personalie nicht äußern.: „Zu internen Personalangelegenheiten des IMPP kann zum Schutze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keine Stellungnahme gegenüber Externen abgegeben werden“, heißt es in der Antwort an das DÄ.
Auch die Frage, welche Auswirkungen ein möglicher Personalwechsel an der Spitze des IMPP für die Implementierung der neuen Approbationsordnung haben würde, wird vom Gesundheitsministerium Nordrhein-Westfalen nur kurz beantwortet.
„Die zuständigen Gesundheitsressorts der Länder werden sich wie bisher auch weiterhin gemeinsam mit dem Bund mit gleichbleibend hohem Engagement für die Implementierung und spätere Umsetzung der neuen Approbationsordnung einsetzen“, so das Ministerium des Landes, das derzeit dem IMPP-Verwaltungsrat, der obersten Dienstbehörde des IMPP, vorsitzt.
Dass die plötzliche und für viele nicht nachvollziehbare Dienstenthebung von Jünger die Umsetzung des Masterplans Medizinstudium 2020 und die Verabschiedung der im Referentenentwurf skizzierten neuen Ärztlichen Approbationsordnung (ÄApprO) erheblich gefährden könnte, befürchten jedoch mehrere Beobachter.
Jünger hätte sich mit ihrer großen Expertise im Bereich der medizinischen Prüfungen sowie mit ihrem herausragenden Engagement für eine interprofessionelle, patientenorientierte Ausbildung sowie eine kompetenzbasierte, patientenzentrierte Prüfung stark gemacht, schreiben die Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA) und Deutsche Stiftung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DESAM) in einem Brief an das NRW-Gesundheitsministerium.
„Wir sehen in der vorläufigen Dienstenthebung von Frau Professor Jünger die große Gefahr, dass die für das deutsche Gesundheitswesen sinnvolle und mittlerweile auch notwendige im Referentenentwurf angelegte Verbesserung des Medizinstudiums innerhalb des IMPP weder eine entsprechende ,klinische' Expertise noch eine angemessene Unterstützung findet und stattdessen in alte längst überholte Prozedere zurückgefallen wird“, so die Allgemeinmediziner in dem Brief, der dem DÄ vorliegt.
„Die Vorgänge im IMPP sind äußerst besorgniserregend“, führte Ferdinand M. Gerlach, Vorsitzender der DESAM, dem DÄ näher aus. „Da Studierende genau das lernen, was geprüft wird, muss eine zukunftsfähige Reform der Approbationsordnung unbedingt auch eine Reform der Prüfungen beinhalten.“ Dabei könne es nicht allein bei theoretischen Multiple-Choice-Prüfungen zur Abfrage von Fußnotenwissen bleiben. „Praktische Parcours-Prüfungen und Prüfungen in allgemeinmedizinischen Praxen sind notwendig und überfällig, sollen aber offenbar mit aller Macht verhindert werden“, meint er.
Für diese neuen Prüfungsformate hatte sich Jünger vehement eingesetzt und diese zuletzt auch positiv getestet, unter anderen an der Medizinischen Fakultät der Universitätsmedizin Göttingen. „Es darf nicht zugelassen werden, dass reformunwillige Kräfte die überfällige Einführung moderner praxisorientierter Prüfungsformen hintertreiben und die Leitung sowie das Team des IMMPs auf einen rückwärtsgewandten Kurs verpflichtet werden", sagte Gerlach dem DÄ.
Überrascht über die Vorgänge ist auch Eckhard Nagel von der Universität Bayreuth. Er ist der Vorsitzende des Beirates Medizin und Sprecher der Beiräte Medizin, Pharmakologie und Psychotherapie am IMPP. „Als Vorsitzender der Gegenstandskatalogskommission am selbigen Institut bin ich nicht darüber informiert worden, dass Frau Professorin Jana Jünger am IMPP von ihren Dienstaufgaben entbunden worden ist“, sagte er dem DÄ. Eine entsprechende Anfrage von seiner Seite sei bisher nicht beantwortet worden. „Festzustellen ist, dass Frau Professorin Jünger uns als Ansprechpartnerin im IMPP aktuell nicht zur Verfügung steht.“
Aus Nagels bisheriger Wahrnehmung hätte es keine unüberbrückbaren Differenzen innerhalb des Instituts oder in der Zusammenarbeit mit dem Institut gegeben, die eine eventuelle Amtsenthebung von Jünger erklären, begründen oder rechtfertigen würden, betonte er gegenüber dem DÄ. „Sehr hoffen würde ich, dass wenn entsprechende Differenzen bestehen, solche durch eine adäquate Konfliktlösungsstrategie der zuständigen Stellen gelöst würden“, erklärte er. Sollten solche gesprächsorientierten Lösungen gesucht werden, stünden die wissenschaftlichen Beiräte oder die Gegenstandskatalogskommission sicherlich zur Verfügung.
Lob für Jünger hört man von vielen Seiten: Zu ihren besonderen Verdiensten gehöre es, dass sie die Positionierung des IMPP im Rahmen der ärztlichen Ausbildung deutlich geschärft habe und dass sie insbesondere für die jüngere Generation innovative Prüfungskonzepte entwickeln und anbieten konnte, schreiben Regina Klakow-Franck, Johannes Korporal, Ute Repschläger, Doris Schaeffer und Gertrud Stöcker, die in unterschiedliche Gremien des IMPP eingebunden sind, in einem Brief an den Gesundheitsausschuss des Bundestages, der dem DÄ ebenfalls vorliegt.
Jünger gehöre unfraglich zu „den eindrucksvollsten Spezialistinnen in Deutschland, die eine wissenschaftliche Durchdringung der Prüfungsstruktur und deren Bedeutung für Prüfungen für den weiteren Werdegang von Studierenden eindrucksvoll untersucht hat“, heißt es darin. Auf ihre Anregung gingen wesentliche inhaltliche Orientierungen des Referentenentwurfs zur Approbationsordnung zurück.
„Frau Jünger steht – sicher nicht ausschließlich als einzelne Person, aber in Initiierung und Moderation von fachlicher und wissenschaftlicher Expertise in großer Breite und kreativem Prozess – für grundlegend neue Elemente, interdisziplinäre Integration und professionelle und institutionelle Kooperation in den Grundlagen der ärztlichen Ausbildung in interdisziplinärer Zusammenarbeit in wissenschaftlicher Ausbildung und praktischer gesundheitlicher Versorgung“, schreiben die Obleute.
Die Annahme der gegenwärtigen Herausforderungen, die Regelungen des Masterplans Medizin, die bestehenden Grundlagenkriterien des Nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) und die ärztlichen Prüfungen als Input einer Neuregelung der ärztlichen Approbationsordnung im interfachlichen und -wissenschaftlichen Diskurs aufzubereiten, könne in den erkennbaren Ergebnissen der Arbeit „nicht hoch genug angesetzt und gewürdigt werden“, heißt es in dem Schreiben, mit dem sich dafür einsetzen, dass „die getroffene Entscheidung der Entbindung von Frau Jünger von den Aufgaben des Instituts überdacht wird“ und intendieren, den Vorgang rückgängig zu machen.
Unterstützung kommt auch der „Wissenschaftlich-medizinischen Allianz für Rehabilitation“ (WMAR) und der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW): „Wir haben Frau Professorin Jünger stets als eine wesentliche Unterstützerin und Promotorin für dringend erforderliche und realistische Reformen des Medizinstudiums mit kompetenzorientierten Lernzielen und den entsprechenden Prüfungen erlebt“, heißt es in ihrem Brief, der ebenfalls dem DÄ vorliegt.
Nachdem es in der Vergangenheit trotz vielfacher Bemühungen nicht gelungen sei, bundesweit und einheitlich die Teilhabeorientierung und Rehabilitation als Prüfungsgegenstände im IMPP zu integrieren, sei dies in den letzten Monaten und Jahren durch die Unterstützung von Jünger gut gelungen. Die „nach unserer Wahrnehmung herausragenden medizinischen, kommunikativen und didaktischen Kompetenzen von Frau Professorin Jünger haben einen wesentlichen Anteil daran“, dass der mehr als zweijährige Prozess mit bundesweiter Integration von mehr 800 Expertinnen und Experten entsprechend des Masterplans 2020 zum erfolgreichen Ergebnis des kompetenzorientierten Gegenstandkatalogs Medizin und NKLM 2.0 geführt hat.
Wegweisend erscheint Beobachtern in diesem Zusammenhang auch die in den vergangenen Jahren harmonische Zusammenarbeit zwischen IMPP und dem Medizinischen Fakultätentag (MFT), die neu in der Geschichte des IMPP und des MFT ist. Erst vor wenigen Wochen wies der MFT in einer Mitteilung über die Veröffentlichung des Nationalen kompetenzorientierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) 2.0 auf die „enge Zusammenarbeit mit dem IMPP, um die Prüfungsinhalte der Gegenstandskataloge mit den fakultären Lern-, Lehr- und Prüfungsinhalten des NKLM zu verzahnen“, hin. Das DÄ berichtete darüber.
Auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), in der mehr als 180 wissenschaftliche Fachgesellschaften aus allen Bereichen der Medizin zusammengeschlossen sind, hatte mit dem IMPP unter der Führung von Jünger in den vergangenen Monaten und Jahren gemeinsame Projekte gestartet.
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