Medizin

Insulinpumpen vermindern Hypoglykämien und Ketoazidosen bei jugendlichen Typ 1-Diabetikern

  • Mittwoch, 11. Oktober 2017
Ein Anschluss für eine Insulinpumpe wird gesetzt /dpa
Ein Anschluss für eine Insulinpumpe wird gesetzt /dpa

Aachen – Insulinpumpen, die in Deutschland fast jedem zweiten jüngeren Patienten mit Typ 1-Diabetes verordnet werden, können das Risiko von schweren Hypoglykämien und Ketoazidosen senken. Dies zeigen die Ergebnisse einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2017; 318: 1358-1366).

An der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV) beteiligen sich 446 Behand­lungszentren, die in den vier Ländern vermutlich mehr als 80 Prozent aller Typ 1-Diabetiker im Alter unter 20 Jahre betreuen. Die Zentren übermitteln zweimal pro Jahr anonymisierte Daten zu ihren Patienten an das DPV-Zentrum nach Ulm.

Beate Karges von der RWTH Aachen und Mitarbeiter haben jetzt die Daten von 30.579 Patienten ausgewertet, die in den Jahren 2011 bis 2015 behandelt wurden. Von ihnen trugen 14.119 Patienten, also fast jeder zweite, eine Insulinpumpe: Sie gibt zum einen regelmäßig eine voreingestellte Basalrate von Insulin ab. Darüber hinaus kann der Patient sich vor den Mahlzeiten einen Insulin-Bolus applizieren, damit die aufge­nommene Glukose auf die Körperzellen verteilt wird und ein längerer Anstieg des Blutzuckers vermieden wird.

Die Pumpen, die über einen Katheter mit dem subkutanen Fettgewebe verbunden sind, ersparen den Patienten die lästigen Injektionen (nicht aber die Blutzuckermessungen), was gerade bei Kindern und Jugendlichen die Stoffwechselkontrolle verbessern soll. 

Ein wichtiger Qualitätsmarker der Insulintherapie ist die Vermeidung von Hypogly­kämien, zu denen es bei einer Überdosierung kommt, sowie von Ketoazidosen, die bei einer Unterdosierung drohen. Ob Insulinpumpen hier einen Vorteil bieten, ist durchaus umstritten. In einigen Studien wurde sogar von einem Anstieg der Ketoazidosen berichtet.

Die jetzt vorliegenden Ergebnisse könnten diese Bedenken zerstreuen. Beide Kompli­kationen traten seltener bei Kindern und Jugendlichen auf, die eine Insulinpumpe nutzten. In einer „Propensity Score“-Analyse, die Patienten mit möglichst identischen Eigenschaften gegenüberstellt, wurde die Zahl der schweren Hypoglykämien, die das Eingreifen einer weiteren Person zur Gabe von Glukose oder Glukagon erfordert, auf 9,55 Ereignisse pro 100 Patientenjahre gesenkt gegenüber 13,97 Ereignissen pro 100 Patientenjahre bei den Patienten, die sich das Insulin mit der Spritze applizierten.

Hypoglykämien traten demnach zu etwa einem Drittel seltener auf (minus 32 Prozent): Die relative Inzidenzrate von 0,68 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,59 bis 0,79 statistisch signifikant. Auch die Häufigkeit eines hypoglykämischen Schocks wurde um 22 Prozent gesenkt (relative Inzidenzrate 0,78; 0,62-0,97).

Die Zahl der diabetischen Ketoazidosen (definiert durch einen Abfall des pH-Werts im Blut auf unter 7,3) ging ebenfalls auf 3,64 Ereignisse pro 100 Patientenjahre zurück gegenüber 4,26 Ereignissen pro 100 Patientenjahre nach den konventionellen Insulininjektionen. Karges ermittelt hier eine relative Inzidenzrate von 0,85 (0,73-0,995), also einen Rückgang um 15 Prozent. Bei den schweren Ketoazidosen (pH-Wert unter 7,1) kam es zu einem Rückgang um 18 Prozent (relative Inzidenzrate 0,82; 0,68-0,99).

Karges bringt den Rückgang der Hypoglykämien mit einer insgesamt niedrigeren täglichen Insulindosis in Verbindung. Das Insulin wurde bei der Pumpentherapie auch vermehrt über den Bolus, also bedarfsgerecht vor den Mahlzeiten appliziert. Die Vorteile könnten damit zusammenhängen, dass Patienten mit Insulinpumpen häufiger schnell-wirksame Insulin-Analoga einsetzen, die es dem Patienten erlauben, flexibler auf die Mahlzeiten zu reagieren.

Für eine langfristig bessere Einstellung des Blutzuckers sprechen auch die etwas günstigeren HbA1c-Werte von 8,04 Prozent gegenüber 8,22 Prozent in der Vergleichsgruppe der Patienten, die Insulin auf klassische Weise mit Spritzen applizieren.

rme

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