Internet-Entzug steigert Blutdruck und Herzfrequenz
Noch streiten Experten darüber, ob das Internet zur Sucht werden kann. Ein wesentliches Kriterium jeder Abhängigkeit scheint jedoch erfüllt zu sein, wie eine Studie walisischer Forscher zeigt: Studierende mit einer problematischen Internetnutzung reagierten auf einen Entzug mit körperlichen und psychischen Symptomen - wenn auch nicht in einem bedrohlichen Ausmaß.
Der Psychologe Phil Reed von der Universität Swansea hatte 144 Studenten zu einer Studie eingeladen, die sich angeblich mit einer anderen Frage beschäftigt. Eher nebenbei wurden sie jedoch auch nach ihrem Internetkonsum befragt – der nicht unerheblich war. Im Durchschnitt waren die Studenten 5,17 Stunden am Tag online, und im IAT-Fragebogen (Internet Addiction Test) stufte fast die Hälfte den eigenen Konsum als problematisch ein. Dies allein zeigt noch keine Abhängigkeit an. Ein wesentliches Kriterium einer Sucht ist neben Dosissteigerung und Kontrollverlust das Auftreten von körperlichen Entzugssymptomen. Er löst ein Verlangen nach dem erneuten Konsum der Droge aus, deren wesentlicher Zweck am Ende darin besteht, die Entzugssymptome zu vermeiden.
Die Studienteilnehmer mussten ihre elektronischen Geräte zunächst zwei Stunden lang ausschalten, bekamen dann aber die Gelegenheit, in einer Pause für 15 Minuten zu surfen. Unmittelbar davor und danach füllten sie Fragebögen zur emotionalen Befindlichkeit (Positive and Negative Affect Schedule, PANAS), zur Ängstlichkeit (Spielberger state-trait anxiety inventory, STAI) und zu Depressionen (Beck’s depression inventory, BDI) aus. Außerdem wurden Blutdruck und Herzfrequenz bestimmt.
Bei den Teilnehmern, die im IAT eine problematische Internetnutzung angegeben hatten, kam es nach dem Ende des 15-minütigen Surfens zu einem Anstieg des systolischen Blutdrucks und der Herzfrequenz um 3 bis 4 Prozent, während die Blutdruckwerte für die weniger problematischen Internetnutzer eher sanken und die Herzfrequenz gleich blieb.
Reed deutet den Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz als leichtes körperliches Entzugssymptom. Für die Gesundheit der jungen Internetsurfer sei dies sicherlich nicht bedrohlich. Zu den körperlichen kamen auch psychische Symptome. Bei den Studierenden mit problematischer Internetnutzung kam es im Entzug zu einem Anstieg von negativen Stimmungen im PANAS und zu einer vermehrten Ängstlichkeit im STAI. Auch hier waren die Ausschläge nicht bedrohlich (und ein Anstieg der Depressivität blieb offenbar aus).
Dennoch stimmen die Ergebnisse die Autoren nachdenklich. Die Kombination aus Herz-Kreislauf-Reaktion und Anstieg der Ängstlichkeit erinnern sie an ein Abhängigkeitsmuster, wie es auch bei der Spielsucht beobachtet wird. Ob dieser Vergleich zutrifft, hängt von weiteren Auswirkungen der Sucht ab. Problematisch wird es, wenn sich die Betroffenen aus dem Sozialleben zurückziehen, Nachteile im Berufsleben haben und ihre finanzielle Unabhängigkeit verlieren. Dies ist beim Internetkonsum nicht unbedingt gegeben. Viele jüngere Menschen pflegen ihre Kontakte über die sozialen Netzwerke und der Internetkontakt ist Teil ihrer beruflichen Tätigkeit.
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