Vermischtes

IV-Vertrag Schizophrenie: AOK kooperiert mit Management­gesellschaft von Janssen-Cilag

  • Donnerstag, 25. November 2010

Berlin – Menschen, die an einer Schizophrenie erkrankt sind und bei der AOK Niedersachsen krankenversichert sind, können sich seit Oktober in ersten Startregionen des Landes in einen Integrationsvertrag (IV-Vertrag) einschreiben.

Ihnen stehen dann erweiterte ambulante Behandlungsoptionen wie Psychoedukation, Fachpflege, Soziotherapie, aufsuchende Behandlung und Angehörigenbetreuung zur Verfügung. Die ärztliche Versorgung der Patienten soll so unterstützt und effizienter gestaltet werden.

Über die Bausteine und die Finanzierung dieses IV-Vertrags berichteten am Donnerstag in Berlin die Partner. Die AOK Niedersachsen hat dafür Verträge mit der I3G GmbH abgeschlossen, einer nach eigenen Angaben unabhängigen Tochtergesellschaft der Janssen-Cilag GmbH.

Diese Gesellschaft befasst sich mit Integrierter Versorgung und Versorgungsforschung und übernimmt im Rahmen des IV-Vertrags Budgetverantwortung. Dritter Partner ist die Care for Schizophrenia GmbH (Care4S), deren einer Geschäftsführer, Matthias Walle, als Psychiater mit Schizophreniepatienten vertraut ist. Die Care4S übernimmt die Umsetzung der einzelnen ergänzenden Versorgungselemente und bemüht sich um Vernetzung mit Vertragsärzten und Krankenhäusern.

Walle hat als niedergelassener Psychiater schon vor Jahren in Niedersachsen Erfahrungen mit Versorgungsmodellen für psychisch Kranke gesammelt. Er verwies nun aus eigenem Erleben auf die Defizite der herkömmlichen Versorgung Schizophrener: „Ich habe keine Zeit für Patienten gehabt unter den Budgetbedingungen, vor allem nicht, wenn sie in der Krise waren“, sagte er.

30 bezahlte Minuten pro Patient und Quartal seien einfach zu wenig. Zudem gebe es „keine ambulante Struktur hinter den Krankenhausmauern“, sagte Walle. Psychiatrische Fachpfleger sowie zahlreiche andere Therapeuten, die Schizophrene in der Klinik mitversorgten, stünden ambulant nicht zur Verfügung.

Im Rahmen des Integrationsvertrags soll es für schizophrene Patienten, die sich einschreiben, neben den angeführten ergänzenden Angeboten auch einen Krisendienst rund um die Uhr geben. Zudem soll ihnen jeweils ein „Bezugstherapeut“ zur Seite stehen, der sich verantwortlich führt, in der Regel ein Psychiatrischer Fachpfleger.

Die AOK Niedersachsen setzt darauf, dass sie im Rahmen des Integrationsprojekts nicht mehr Geld als bisher ausgeben muss, aber die Versorgung Schizophrener sich verbessert. Unter ihren Versicherten gebe es circa 13.000 Menschen mit dieser Diagnose, erläuterte Frank Preugschat, Leiter der AOK-Abteilung Versorgungsmanagement.

Aus dem Gesundheitsfonds erhalte man etwa 4.000 Euro pro Patient. Insgesamt stehen für die Behandlung also 52 Millionen Euro zur Verfügung. Daraus sollen zukünftig sowohl die Regelversorgung finanziert werden wie, organisiert über Care4S und I3G, die zusätzlichen Angebote. Die AOK geht davon aus, dass sich durch eine verbesserte ambulante Betreuung Gelder für die stationäre Behandlung einsparen lassen.

Die Krankenkasse hatte den IV-Vertrag ausgeschrieben, zehn Interessenten gaben demnach Angebote ab. Für die I3G GmbH habe man sich entschieden, weil das Unternehmen in der Lage sei, die notwendigen Investitionen zum Beispiel für EDV-Vernetzungen aufzubringen, sagte Preugschat.

Der Vertrag hat für Aufsehen gesorgt, weil sich die Tochtergesellschaft einer Pharmafirma beteiligt. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat allerdings in das verabschiedete Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz ausdrücklich eine Passage aufgenommen, wonach auch Pharmafirmen selbst Partner in einem Integrationsvertrag sein dürfen. 

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hat die Vertragskonstruktion in Niedersachsen kritisiert. Zwar sei es positiv, dass Krankenkassen IV-Verträge für psychisch Kranke besser als zuvor unterstützten, heißt es in einer Stellungnahme vom 14. Oktober.

Man kritisiere aber „aus grundsätzlichen Erwägungen das Engagement der pharmazeutischen Industrie in diesem Bereich und hinterfragt kritisch das Engagement von kommerziell arbeitenden Firmen“, heißt es. Psychisch kranke Menschen seien häufig weniger in der Lage als andere Patienten, Alternativen zu suchen und zu wählen. Deshalb seien solche Ansätze „besonders kritisch“ zu sehen.

Rie

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