Johna: Sexismus und Diskriminierung widersprechen ärztlichem Handeln

Berlin – Sexismus, Herabwürdigung und strukturelle Diskriminierung widersprechen allem, wofür ärztliches Handeln stehen sollte. Das erklärte Susanne Johna, erste Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), gestern auf der Onlineplattform LinkedIn. „Wer medizinische Verantwortung trägt, muss auch soziale Verantwortung ernst nehmen“, sagte sie. Wer dabei glaube, dass sich diese Probleme irgendwann von selbst erledigen, der irre.
Diskriminierung sei kein Randphänomen, sondern Teil eines Systems, das Menschen an ihrer Weiterentwicklung hindere. „Besonders Frauen erleben das – beim Berufseinstieg, in der Weiterbildung, beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit oder auf dem Weg in leitende Positionen“, sagte Johna.
Sexismus im Krankenhaus schwele schon seit langer Zeit, werde aber noch immer viel zu oft verdrängt, betonte sie angesichts eines aktuellen Berichts der Zeit über Sexismus und Diskriminierung im Krankenhaus, insbesondere im OP.
„Ärztinnen berichten von sexualisierter Belästigung, von entwürdigenden Kommentaren, von Grenzüberschreitungen mitten im Arbeitsalltag. Sie berichten von Hierarchien, in denen Wegsehen leichter ist als Eingreifen und in denen Macht manchmal wichtiger zu sein scheint als Haltung“, sagte Johna.
Es seien Aussagen, die erschütterten, und doch würden sie die Erfahrung vieler Kolleginnen widerspiegeln. Leider verstärke sich zudem der Eindruck, dass die Verschiebung des Sagbaren, die man derzeit in der Gesellschaft erlebe, auch vor den Krankenhaustoren nicht Halt mache.
Dies habe zur Folge, dass qualifizierte Ärztinnen die Klinik verlassen, weil sie sich nicht gesehen, nicht unterstützt und schon gar nicht geschützt fühlten. Sie würden erleben, dass strukturelle Ungleichheit nicht nur geduldet, sondern sogar aktiv verteidigt werde. „Wir verlieren Kompetenz, Motivation und Engagement, weil das Arbeitsumfeld nicht stimmt. Weil es an Respekt, Förderung und Verbindlichkeit fehlt“, betonte Johna.
Sexualisierte Belästigung in der Klinik nicht selten
Um dieser Form der Diskriminierung entgegenzutreten, braucht es aus Sicht von Johna eine klare Haltung und entschlossenes Handeln.
Man dürfe nicht nur auf den Mut von betroffenen Ärztinnen hoffen, betonte sie und verwies dabei etwa auf die Kampagne „Klare Kante gegen sexualisierte Belästigung“ der vier Universitätskliniken in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm in Baden-Württemberg.
Diese wurde Anfang des Jahres aufgrund einer Umfrage aus dem Jahr 2022 ins Leben gerufen, bei der knapp 10.000 Beschäftigte der vier Unikliniken befragt worden sind (rund ein Fünftel aller Beschäftigten).
71 Prozent der Befragten gaben an, jemals in ihrem Leben sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz erlebt zu haben. Mehr als ein Drittel (37 Prozent der Befragten) berichtete von sexualisierter Belästigung innerhalb des letzten Jahres, am häufigsten durch Kollegen und Patienten.
Die Mehrheit der Befragten gab außerdem an, eine verbale Form der sexualisierten Belästigung erlebt zu haben. Als häufigste Form der erlebten sexualisierten Belästigung wurden Abwertungen und Witze über Frauen, Männer, Transpersonen oder Homosexuelle genannt.
Die Unikliniken machen seit Anfang des Jahres mit verschiedenen Aktionen auf das Thema sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz aufmerksam und informieren über Sofortmaßnahmen, Anlaufstellen und Unterstützungsangebote. Zudem haben sich die Vorstände der Kliniken klar gegen jegliche Form von sexualisierter Belästigung positioniert.
Die Kampagne zeige, dass Prävention, Ansprechbarkeit und Führungskultur zusammengehören und dass es möglich ist, verbindliche Standards zu schaffen, die wirken, erklärte Johna.
Man müsse darüber hinaus weiter denken und hinterfragen, ob die Medizin ein Führungsproblem habe. Diese Frage stelle sich derzeit auch der Marburger Bund Hamburg, sagte Johna. „Denn viele der beschriebenen Übergriffe und Machtspiele sind auch Ausdruck eines überkommenen Führungsverständnisses.“ Kliniken brauchen keine autoritären Leitbilder, sondern kooperative Strukturen, die das Kollegialprinzip ernst nehmen, forderte die MB-Vorsitzende.
„Wer Verantwortung teilt, schafft Räume für Vertrauen. Wer sich dem Austausch öffnet, kann auch Diskriminierung besser erkennen und verhindern.“ Ihr Appell richtet sich an alle Ärztinnen und Ärzte: „Wer heilt, darf nicht verletzen. Und wer führen will, muss zuhören und Haltung zeigen.“ Es sei deshalb an der Zeit, die Strukturen zu verändern, in denen medizinische Arbeit stattfindet.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit:
1