Kabinettbeschluss zu Hartz-IV-Anpassung ruft grundsätzliche Kritik hervor

Berlin – Die routinemäßige Anpassung der Hartz-IV-Sätze zum Jahreswechsel hat eine grundsätzliche Debatte über das System ausgelöst. Mehrere Sozialverbände forderten heute eine umfassende Reform. Auch die künftigen Regelsätze deckten den tatsächlichen Bedarf der Betroffenen nicht, warnten sie. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wies die Kritik zurück.
Das Bundeskabinett beschloss heute die Anpassung der Hartz-IV-Sätze zum Jahreswechsel. Laut der Vorlage des BMAS soll der monatliche Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen um 7 Euro auf 439 Euro steigen, Partner bekommen 395 statt 389 Euro. Jugendliche ab 14 Jahren erhalten 367 statt 328 Euro, für Kinder unter sechs Jahren steigt der Regelsatz von 250 auf 278 Euro. Die Summe für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren bleibt bei 308 Euro.
Hintergrund ist die gesetzliche Verpflichtung, bei Vorliegen einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) die Höhe der Regelbedarfe neu zu ermitteln. Dabei sollen auch gesellschaftliche Veränderungen aufgegriffen werden. Die EVS wird alle fünf Jahre erhoben, zuletzt 2018.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte, die 7 Euro mehr für Alleinstehende „reichen hinten und vorne nicht“. So werde Armut „ganz sicher nicht“ bekämpft. Der VdK bezeichnete es zudem als „sehr enttäuschend“, dass der Gesetzentwurf „keine Verbesserungen bei der Ermittlungsmethode“ vorsieht. Die Regelbedarfshöhen nach der geltenden Berechnung seien „weder realitätsgerecht, noch reichen sie zum Leben“.
Auch das Deutsche Kinderhilfswerk forderte, die Sozialleistung künftig ganz anders zu berechnen. „Eine grundsätzliche Verbesserung der Lebenssituation von Armut betroffener Kinder und Jugendlicher braucht eine grundlegende Reform der Regelsatzberechnung“, erklärte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann.
„Wir sind mit der Berechnung der Regelsätze nicht einverstanden, weil eine soziokulturelle Existenzsicherung nicht gewährleistet werden kann“, erklärte auch der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer.
Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping warf Sozialminister Hubertus Heil (SPD) vor, er betreibe „aktive Verarmungspolitik“. Die Regelsätze würden mit „Tricks“ künstlich klein gerechnet.
Eine Sprecherin Heils wies die Vorwürfe zurück. Es sei mehrfach geprüft worden, ob die Regelsätze ein „soziokulturelles Existenzminimum“ ermöglichten, sagte sie. Die Berechnung sei „transparent und nachprüfbar“, zudem falle die Erhöhung dieses Mal relativ hoch aus.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: