Kammer Schleswig-Holstein warnt vor Fall-Explosion bei den niedergelassenen Ärzten

Bad Segeberg – Die Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH) hat private und öffentliche Arbeitgeber des Landes aufgefordert, bei einem moderaten Umgang mit Krankheitsattesten zu bleiben. Mit dem Appell reagierte die Kammer auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes, in dem das Recht der Arbeitgeber auf ein Attest ab dem ersten Tag bestätigt wird.
„Wer wirklich krank ist, muss natürlich zum Arzt“, so Kammerpräsident Franz-Joseph Bartmann. Aber wenn jeder Arbeitnehmer mit leichtem Unwohlsein oder einem harmlosen Infekt sofort zum Arzt gehen müsse, bliebe Medizinern noch weniger Zeit für die Behandlung tatsächlich wichtiger Fälle. „Die Wartezimmer sind schon jetzt übervoll“, sagte Bartmann.
Für den Fall einer strengen Auslegung des Urteils rechnet der Kammerpräsident mit einer künstlichen Aufblähung der Morbidität, denn Ärzte müssten ihre Diagnosen auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach einer international gültigen Krankheitsklassifikation verschlüsseln. „Jeder banale Infekt bekommt dann einen eigenen Krankheitswert, der in der Morbiditätsstatistik erfasst wird“, machte Bartmann deutlich. Die Folge: Ein Attest ab dem ersten Tag mache die Deutschen rein statistisch kränker als sie tatsächlich sind. „Das treibt die Kosten, denn die Vergütung der Ärzte erfolgt zunehmend morbiditätsorientiert“, so der Kammerpräsident.
Gleichzeitig würde sich eine strenge Umsetzung des Urteils nach Ansicht Bartmanns als Bumerang für die Arbeitgeber erweisen: „Sie zahlen knapp die Hälfte der Krankenkassenbeiträge, die durch unnötige Behandlungen und höhere Morbidität steigen dürften.“ Arbeitgeber seien deshalb gut beraten, es beim Attest ab dem zweiten oder dritten Tag zu belassen, so der Präsident: „Das entlastet die ohnehin angespannte ambulante ärztliche Versorgung und dient dem Betriebsfrieden.“
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